Biographie Erika Drees

Erika Drees (geb. von Winterfeldt) wurde am 15. September 1935 in Breslau als Tochter eines schlesischen Gutsbesitzers und Nachfahrin des preußischen Generals Karl von Winterfeldt geboren. Kurz vor Kriegsende musste sie mit ihrer Mutter, Großmutter und vier Geschwistern fliehen. Die Flucht, bei der ein Kind verstarb, endete in Schleswig-Holstein. Ihre Familie lebte im Nachkriegsdeutschland unter schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen; auch ihr Vater kehrte nicht mehr aus dem Krieg zurück. Edda Ahrberg, die langjährige Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen in Sachsen-Anhalt und eine enge Vertraute von Erika Drees bemerkt, die Flucht habe sie „tief geprägt“ und „Gewaltfreiheit, Frieden und Menschenrechte“ seien „die Leitlinien ihres Lebens“ geworden.

Drees begann ihr Medizinstudium in Kiel und setzte es an der Freien Universität in West-Berlin fort, wo sie zudem in der Evangelischen Studentengemeinde aktiv war. Aufgrund von Kontakten der Studentengemeinde in die DDR geriet Erika Drees ins Visier des Staatssicherheitsdienstes, der sie im Sommer 1958 bei einem Aufenthalt in der DDR festnahm und neun Monate wegen Spionageverdacht in der berüchtigten Haftanstalt „Roter Ochse“ in Halle/Saal einsperrte. Vorgeworfen wurden ihr laut Anklageschrift zum einen „staatsgefährdende Hetze und Propaganda“ zum anderen eine massive Störung der „ordnungsgemäße(n) Tätigkeit der Staatsorgane der DDR“.

Sie hatte ihren Freunden bei Besuchen in der DDR Zeitschriften und Bücher mitgebracht und sich kritisch mit den Verhältnissen in der DDR und in den osteuropäischen Staaten auseinandergesetzt. In der Anklageschrift wurde vermerkt: „Darüber hinaus bezeichnete sie die Politik der SED als Meinungszwang, Unterdrückung der Freiheit und sagt, dass in der DDR anders denkende Studenten verhaftet und exmatrikuliert werden.“ Das Ermittlungsverfahren gegen sie wurde letztlich wegen Mangel an Beweisen eingestellt – eine Rehabilitierung erfolgte erst im Jahre 1996.

Trotz dieser Erfahrung siedelte sie nach ihrem Medizinstudium im Jahre 1960 in die DDR über, um an einer „gerechteren, nicht kapitalistischen Gesellschaftsordnung mitbauen zu können“ – wie sie in der Rückschau bemerkte. Nachdem sie mit ihrem Mann Ludwig Drees zunächst in Bernburg wohnte und dort als Ärztin tätig war, zog sie im Jahre 1975 mit ihrer Familie nach Stendal. Vier Jahre später schloss sich Erika Drees Widerstandgruppen an, die im kirchlichen Umfeld wirkten. Sie war aktiv in Gruppen wie „Frauen für den Frieden“ sowie „Frieden konkret“ und engagierte sich ab 1988 zudem in den Tagungen und Arbeitskreisen der Ökumenischen Versammlung. Besonders aktiv war Drees in der „Bürgerinitiative Energiewende“, die sich vehement gegen das in der Nähe von Stendal im Bau befindliche Kernkraftwerk wehrte. Aufgrund dieses Engagements ergingen an Drees mehrere Haft- und Ordnungsstrafen. Zudem wurde sie vom Ministerium für Staatssicherheit überwacht.

Nachdem bekannt wurde, dass die Ergebnisse der Kommunalwahlen im Frühjahr 1989 gefälscht waren und die brutale Niederschlagung der chinesischen Demokratie-Bewegung auf dem Tiananmen-Platz in Peking von DDR-Politikern gerechtfertigt wurde, regten Erika Drees und andere Aktivisten Friedensgebete in Stendal an, die ab Juli 1989 in der Petrikirche und später aus Platzmangel im Dom abgehalten wurden.

Ab August 1989 setzte sie sich für die Bildung des „Neuen Forums“ ein und war mit Opens internal link in current windowBärbel Bohley, Opens internal link in current windowKatja Havemann, Sebastian Pflugbeil, Hans-Jochen Tschiche und anderen Erstunterzeichnerin des Gründungsaufrufs „Aufbruch 89“ der einen entscheidenden Anstoß zur friedlichen Revolution in der DDR gab. Drees setzte sich für eine legale Betätigung des Neuen Forums bei den staatlichen Stellen in Stendal und Magdeburg ein und wurde in den Sprecherrat des republikweiten Forums gewählt. Bei der ersten angemeldeten Demonstration in Stendal am 6. November 1989 forderte sie freie Wahlen, Presse- und Meinungsfreiheit, erinnerte aber gleichzeitig auch an Leid und Armut in der Dritten Welt. Freiheit und Gerechtigkeit sowie Bewahrung der Schöpfung gehörten für sie untrennbar zusammen.

Als sie 1991 mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland für ihren Beitrag zur Wiedervereinigung Deutschlands ausgezeichnet werden sollte, wies sie ihn mit der Begründung zurück, dass die deutsche Einheit ihrer Ansicht nach keine wirkliche Befreiung für die ostdeutsche Bevölkerung war.

Auch nach der Vereinigung der beiden Staaten übte Erika Drees sich weiter in zivilem Ungehorsam und erhielt elf Strafverfahren, die sie wiederholt tage- und wochenweise ins Gefängnis brachten. So wurde sie im November 2002 vom Amtsgericht Cochem zu einer Opens internal link in current windowsechswöchigen Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt, nachdem sie ein halbes Jahr zuvor auf das Gelände des Fliegerhorstes Büchel eingedrungen war, um gegen die dort lagernden US-Atomwaffen zu protestieren.

Ihren Beruf als Ärztin im von ihr begründeten ‚Sozial-psychiatrischen Zentrum‘ in Stendal übte Drees bis zum Jahr 2000 aus. Am 11. Januar 2009 verstarb sie im Alter von 73 Jahren in einem Stendaler Hospiz. Ihre Weggefährtin Edda Ahrberg bemerkt: „Wer Erika Drees begegnet ist, wird sie nicht vergessen. Sie hatte und hat die Gabe, die unterschiedlichsten Menschen zusammen zu bringen. An ihre wachen Augen sollten wir uns immer wieder erinnern und uns von ihnen ermutigen lassen.“