09.04.1989 - Ordnungsverfahren gegen die Redaktion der "Lausitzbotin"

Nicht nur in Städten wie Berlin und Leipzig erscheinen ab Mitte der 1980er Jahre Zeitschriften im Samisdat. Im Januar 1989 verteilt die Zittauer Regionalgruppe des Grünen Netzwerks Arche etwa 200 Exemplare der Lausitzbotin. Hauptthema des Blatts ist die Umweltproblematik der Lausitz. So werden die Leser über die miserable Luftsituation in und um Zittau aufgeklärt. Es geht aber auch um die Verhaftungen von Leipziger Oppositionellen und das Sputnik-Verbot im November 1988.

Das Heft erscheint mit dem Hinweis „Nur für den innerkirchlichen Dienstgebrauch“ und dem Vermerk „Herausgegeben in der Region Lausitz im Grünen Netzwerk Arche in den Evangelischen Kirchen der DDR“. Der Zittauer Kirchenvorstand ist aufgebracht: Er wirft der Redaktion Missbrauch der Kirche vor und distanziert sich von der Publikation.

Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) reagiert sofort. Die Redakteure der Lausitzbotin werden vernommen. Die Stasi droht ihnen Ordnungsstrafverfahren und hartes Durchgreifen an. Die schon verteilten Exemplare des Untergrundblatts sollen wieder eingesammelt und dem Ministerium übergeben werden. Die Redaktion will trotzdem weitermachen. Sie findet Unterstützung bei den Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen der Region. Am 9. April 1989 legt das Redaktionsmitglied Thomas Pilz Beschwerde bei der Stadt Zittau gegen die Verhängung der Ordnungsstrafmaßnahmen gegen ihn ein und beruft sich dabei auf sein „verfassungsmäßigen Grundrechte.“

Nach zähen Verhandlungen mit dem Kirchenvorstand wird die Publikation zwar herausgegeben, allerdings nicht als Zeitschrift mit dem Titel Lausitzbotin, sondern als Informationspapier für Gemeindeglieder. Da die junge Redaktion eine Zensur dringend vermeiden will, entscheidet sie sich, weiterhin konspirativ zu drucken. Dadurch verzichtet sie auf den Schutz der Kirche. Das Druckgerät bringen sie in wechselnden Privathäusern unter, um es vor dem MfS zu verstecken.

Die erste Ausgabe des IPs (Informationspapiers) erscheint am 2. Juli 1989 zum Thema Fälschung der Kommunalwahlen. In Thomas Hönels Wohnzimmer in Zittau werden 300 Exemplare gedruckt. Die Redaktion ist von der Vorgabe des Kirchenvorstands abgewichen, nur ein Thema zu behandeln. Und: Die Jugendlichen geben sich mit den vorgeschriebenen fünf Seiten nicht zufrieden – sie produzieren elf Seiten auf sechs Blatt. Umgehend wird der Superintendent zum Rat des Kreises vorgeladen. Doch diesmal stellt sich der Kirchenvorstand schützend vor die Redaktion.

Die zweite Ausgabe zur Gründung der Bürgerbewegung Neues Forum darf nicht erscheinen. Wegen der zugespitzten Situation im Land Anfang Oktober 1989 verweigert der Kirchenvorstand die Genehmigung. Im Dezember 1989, nach drei Ausgaben des IPs, beendet die Redaktion ihre Arbeit mit der Herstellung eines Flugblatts für das Neue Forum. Informationen über die sich überschlagenden Ereignisse sind inzwischen schneller über andere Medien erhältlich.

Die Geschichte der Lausitzbotin mit vielen weiteren Fotos und Dokumenten finden Sie auch auf www.jugendopposition.de.

Die gesamte erste Ausgabe der Lausitzbotin zum Durchblättern im Slider:

Die Erste Ausgabe der Lausitzbotin aus dem Januar 1989, Seite 1. ©Robert-Havemann-Gesellschaft/PS 064
Die Erste Ausgabe der Lausitzbotin aus dem Januar 1989, Seite 2. ©Robert-Havemann-Gesellschaft/PS 064
Die Erste Ausgabe der Lausitzbotin aus dem Januar 1989, Seite 3. ©Robert-Havemann-Gesellschaft/PS 064
Die Erste Ausgabe der Lausitzbotin aus dem Januar 1989, Seite 4. ©Robert-Havemann-Gesellschaft/PS 064
Die Erste Ausgabe der Lausitzbotin aus dem Januar 1989, Seite 5. ©Robert-Havemann-Gesellschaft/PS 064
Die Erste Ausgabe der Lausitzbotin aus dem Januar 1989, Seite 6. ©Robert-Havemann-Gesellschaft/PS 064
Die Erste Ausgabe der Lausitzbotin aus dem Januar 1989, Seite 7. ©Robert-Havemann-Gesellschaft/PS 064
Die Erste Ausgabe der Lausitzbotin aus dem Januar 1989, Seite 8. ©Robert-Havemann-Gesellschaft/PS 064
Die Erste Ausgabe der Lausitzbotin aus dem Januar 1989, Seite 9. ©Robert-Havemann-Gesellschaft/PS 064
Die Erste Ausgabe der Lausitzbotin aus dem Januar 1989, Seite 10. ©Robert-Havemann-Gesellschaft/PS 064
Die Erste Ausgabe der Lausitzbotin aus dem Januar 1989, Seite 11. ©Robert-Havemann-Gesellschaft/PS 064
Die Erste Ausgabe der Lausitzbotin aus dem Januar 1989, Seite 12. ©Robert-Havemann-Gesellschaft/PS 064
Die Erste Ausgabe der Lausitzbotin aus dem Januar 1989, Seite 13. ©Robert-Havemann-Gesellschaft/PS 064
Die Erste Ausgabe der Lausitzbotin aus dem Januar 1989, Seite 14. ©Robert-Havemann-Gesellschaft/PS 064
Die Erste Ausgabe der Lausitzbotin aus dem Januar 1989, Seite 15. ©Robert-Havemann-Gesellschaft/PS 064
Die Erste Ausgabe der Lausitzbotin aus dem Januar 1989, Seite 16. ©Robert-Havemann-Gesellschaft/PS 064
Die Erste Ausgabe der Lausitzbotin aus dem Januar 1989, Seite 17. ©Robert-Havemann-Gesellschaft/PS 064
Die Erste Ausgabe der Lausitzbotin aus dem Januar 1989, Seite 18. ©Robert-Havemann-Gesellschaft/PS 064
Die Erste Ausgabe der Lausitzbotin aus dem Januar 1989, Seite 19. ©Robert-Havemann-Gesellschaft/PS 064
Die Erste Ausgabe der Lausitzbotin aus dem Januar 1989, Seite 20. ©Robert-Havemann-Gesellschaft/PS 064
Die Erste Ausgabe der Lausitzbotin aus dem Januar 1989, Seite 21. ©Robert-Havemann-Gesellschaft/PS 064
Die Erste Ausgabe der Lausitzbotin aus dem Januar 1989, Seite 22. ©Robert-Havemann-Gesellschaft/PS 064