07.07.1989 -„Zu dumm zum Addieren, aber ein ganzes Land regieren“ - Wahldemo auf dem Alexanderplatz

Nachdem Oppositionelle den Betrug bei den Kommunalwahlen im Mai 1989 nachgewiesen hatten, versuchte die SED-Führung das Problem totzuschweigen und machte weiter wie bisher, als würden nicht im ganzen Land Eingaben an die Kreisleitungen geschickt, die eine Annullierung der Wahlen forderten.

Oppositionellen waren Entsetzt angesichts dieser Ignoranz und dem offensichtlichen Betrug. Sie beschlossen an jeden siebenten eines Monat gegen den Wahlbetrug zu demonstrieren. Nach einem versuchten Protestmarsch zum Staatsratsgebäude am 7. Juni 1989, der noch auf dem Gelände der Sophienkirche endete, rief man zum 7. Juli 1989 zu einer erneuten Kundgebung auf, dieses Mal in aller Öffentlichkeit auf dem Berliner Alexanderplatz. Ein Teilnehmer der Demonstration, Olaf S., berichtete in einem Gedächtnisprotokoll von den Ereignissen rund um die versuchte Demonstration.

Schon auf dem Weg zum Alexanderplatz wurden, die in Augen der zahlreich vorhandenen Staatssicherheitsbeamten, verdächtig aussehenden Personen beschattet und durch Einschüchterungsversuche am Betreten des Platzes gehindert. Ursprünglich wollten die Demonstranten mit einem Sitzstreik direkt auf dem Alexanderplatz gegen die Wahlfälschung demonstrieren, was auf Grund des massiven Aufgebots an Sicherheitskräften aber nicht möglich war. In seinem Gedächtnisprotokoll berichtete Olaf S., dass er wenig später durch Sicherheitsbeamte abgeführt wurde. Dabei ließ er es sich nicht nehmen noch ein vorbereitetes Transparent zu präsentieren. Es trug den Schriftzug „Zu dumm zum Addieren, aber ein ganzes Land regieren“.

Zusammen mit 13 anderen Demonstranten findet sich Olaf S. auf einem der bereitstehenden Busse wieder, der mit ihnen nach Berlin-Rummelsburg fährt. Außerdem berichtet er von Misshandlungen während der Festnahmen. Zur Befragung gab es dann Getränke und Zigaretten, die der Nichtraucher aber dankend ablehnte. In der Sammelzelle traf Olaf S. auf einem von ihm als „Schlaraffen-Bewegten“ bezeichneten Mitinsassen, der ihm sagte, dass er nur auf dem Alexanderplatz gewesen sei, um seine beantragte Ausreise beschleunigen zu können.

Nach zwei Stunden Verhör ging es Mitten in der Nacht für Olaf S. dann in die Keibelstraße, wo die Inhaftierten die Nacht verbringen sollten. Am nächsten Morgen begleiteten die Sicherheitsbeamten  Olaf S. nach Hause, um noch eine Hausdurchsuchung durchzuführen. Sie verabschiedeten sich von ihm unter anderem mit den Worten „bis zum nächsten Mal!“.

Demonstrationen auf dem Berliner Alexanderplatz fanden nun an jedem siebenten eines Monats statt.

Gedächtnisprotokoll zu den Ereignissen am 7. Juli 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz, Seite 1. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/EP 11/3_104
Gedächtnisprotokoll zu den Ereignissen am 7. Juli 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz, Seite 2. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/EP 11/3_105