09.08.1989 - Moderne Betonburgen statt barocker Stadterweiterung – Protest gegen den Abriss der Potsdamer Altstadt

Der Berliner Fotograf Aram Radomski machte Ender der 1980er Jahre Bilder von der zerstörten Potsdamer Innestadt. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Aram Radomski/RHG_Fo_ARa_04_015-05

Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., machte Potsdam mit dem Bau der „II. Barocken Stadterweiterung“ zwischen 1732 und 1742 zur schmucken Residenzstadt der preußischen Könige. Die Stadterweiterung ergänzte die Stadt unter anderem mit dem berühmten „Holländischen Viertel“. Darüber hinaus befand sich hier das auch Wohnhaus des Schriftstellers Theodor Storm, in dem auch sein berühmter Autorenkollege Theodor Fontane zu Besuch gewesen sein soll. Schon zu DDR-Zeiten erkannte man den Wert der historischen Bauten und erhob die „II. Barocke Stadterweiterung“ in die erste Kategorie der zentralen Denkmalliste der DDR und galt damit als Denkmal von „besonderer nationaler und internationaler Bedeutung“.

Umso erschreckender, dass in den 1980er Jahren damit begonnen wurde die Potsdamer Altstadt systematisch abzureißen. Wie in vielen anderen Städten ließ die DDR-Regierung die historischen Bauten auch in Potsdam systematisch vergammeln. Die preußisch-barocken Bauten passten nicht in die moderne Ästhetik der sozialistischen Stadtplaner. Als man Platz für neue Wohnungen brauchte und der Potsdamer Innenstadt ein sozialistisches Antlitz verpassen wollte, argumentierte die zuständigen Stellen, dass Modernisierungsvorhaben in den oft seit Kriegsende unverändert gebliebenen Häusern nicht mehr möglich wären, sodass der Abriss als der Altbauten unvermeidlich galt.  

Der Berliner Fotograf Aram Radomski machte Ender der 1980er Jahre Bilder von der zerstörten Potsdamer Innestadt. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Aram Radomski/RHG_Fo_ARa_04_015-02
Der Berliner Fotograf Aram Radomski machte Ender der 1980er Jahre Bilder von der zerstörten Potsdamer Innestadt. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Aram Radomski/RHG_Fo_ARa_04_015-07
Der Berliner Fotograf Aram Radomski machte Ender der 1980er Jahre Bilder von der zerstörten Potsdamer Innestadt. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Aram Radomski/RHG_Fo_ARa_04_015-10
Der Berliner Fotograf Aram Radomski machte Ender der 1980er Jahre Bilder von der zerstörten Potsdamer Innestadt. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Aram Radomski/RHG_Fo_ARa_04_015-12
Der Berliner Fotograf Aram Radomski machte Ender der 1980er Jahre Bilder von der zerstörten Potsdamer Innestadt. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Aram Radomski/RHG_Fo_ARa_04_015-15
Der Berliner Fotograf Aram Radomski machte Ender der 1980er Jahre Bilder von der zerstörten Potsdamer Innestadt. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Aram Radomski/RHG_Fo_ARa_04_015-05
Der Berliner Fotograf Aram Radomski machte Ender der 1980er Jahre Bilder von der zerstörten Potsdamer Innestadt. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Aram Radomski/RHG_Fo_ARa_04_015-16
Der Berliner Fotograf Aram Radomski machte Ender der 1980er Jahre Bilder von der zerstörten Potsdamer Innestadt. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Aram Radomski/RHG_Fo_ARa_04_015-20
Der Berliner Fotograf Aram Radomski machte Ender der 1980er Jahre Bilder von der zerstörten Potsdamer Innestadt. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Aram Radomski/RHG_Fo_ARa_04_015-27
 

Dass der Kahlschlag in der Potsdamer Altstadt nicht nur ein historisches Desaster darstellte, sondern auch ein soziales, verdeutlicht ein Brief des Potsdamers Michael Heinroth vom Grün-ökologischen Netzwerk Arche an die Kirchengemeinden Potsdam vom 9. August 1989. Besonders ältere Leute würden unter dem drohen Abriss zu leiden haben:

„Sie lebten dort teilweise seit ihrer Geburt […] in ihren Häusern und sollten jetzt aus ihrem Wohngebiet ausgesiedelt werden, um ihre Häuser niederreißen zu können. Für diese Menschen in dieser Situation bedeutet das einen tragischen Schicksalsschlag und für einige sogar den schnellen Tod. Diese Menschen haben keine Rechte und Hoffnung, jemals wieder in ihr angestammtes Wohngebiet zurückkehren zu können. Was sollen sie auch dort, die neuen geplanten großen Betonhäuser sind nicht mehr ihre Heimat.“

Heinroth bittet die Gemeindemitglieder in seinem Brief um Solidarität für Betroffenen und ruft zu Unterstützungsaktionen auf. Zusammen mit anderen Bürgerrechtlern erarbeitete Michael Heinroth 1989 die Ausstellung "Suchet der Stadt Bestes" zur Historie der Potsdamer Altstadt, die viele Bürger erst über den Wert der historischen Altstadt Potsdams aufklärte.

Am 1. November 1989, also noch vor dem Fall der Berliner Mauer, setzt die zu diesem Zeitpunkt immer noch SED-dominierte Stadtverordneten Versammlung auf Initiative der Arbeitsgemeinschaft für Umweltschutz und Stadtgestaltung (ARGUS) einen Abrissstop in der „II. barocken Stadterweiterung“ durch. Für das sogenannte „Stormhaus“ und viele weitere kostbare Gebäude der Potsdamer Altstadt kam diese Rettung allerdings zu spät.

Wie die Gruppe Argus in Potsdam sollten sich in den Jahren um den Fall der Berliner Mauer auch in vielen anderen Städten Bürgerinitiativen gründen, die sich für den Erhalt der Altstädte einsetzten.

Brief an die Kirchengemeinden Potsdams in Bezug auf den drohenden Abriss der sogenannten II. barocken Stadterweiterung, Seite 1.Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/RJ/09PA-ED
Brief an die Kirchengemeinden Potsdams in Bezug auf den drohenden Abriss der sogenannten II. barocken Stadterweiterung, Seite 2.Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/RJ/09PA-ED