13.07.1989 - „Eine besonders makabre Art der Umwelterziehung“ - Offener Brief zur Offenlegung von Umweltdaten und Umweltgefahren in der DDR

Glaubt man den offiziellen Darstellungen der SED-Führung, gab es in der DDR bis 1989 keine gravierenden Umweltprobleme. Das sahen viele Ostdeutsche anders, machten auf die Naturzerstörungen in der DDR aufmerksam und protestierten gegen die Totschweigementalität der Regierung. Um die sich entwickelnde Protestbewegung in die gewünschten Bahnen zu leiten gründete man die Gesellschaft für Natur und Umwelt im Kulturbund der DDR. Deren Arbeit beschränkte sich allerdings auf die Pflege der wenigen Naturschutzgebiete, aufs Bestimmen von Schmetterlingen und das Zählen von Fröschen. Eine politische Dimension erlangte ihre Arbeit nicht, und Umweltprobleme wurden hier bestenfalls in kleinem Kreis diskutiert. Smog, Waldsterben und sauren Regen kannten die DDR-Bürger nur aus dem Westfernsehen. Doch es genügte ein Blick vor die eigene Haustür, ein Gang durch den Betrieb oder ein Ausflug ins Erzgebirge, um zu begreifen, dass die DDR-Regierung auch bei der Umweltzerstörung verschwieg, vertuschte und log.

Mit dem Gesetz zur Geheimhaltung von Umweltdaten war es seit 1982 sogar verboten Informationen zu Naturzerstörungen und Umweltproblemen in der DDR zu verbreiten. Der Arbeitskreis Evangelium und Menschenrechte der Kirchengemeinde Kittlitz (Sachsen) verfasste am 13.07.1989 einen offenen Brief und fordert darin eine vollständige Offenlegung von Umweltdaten und die Einhaltung von Grenzwerten für die Belastung von Lebensmitteln. Die Situation der Umwelt sei besonders in der Oberlausitz katastrophal. Luft, Wasser und Böden seien durch Verkehr, Industrie- und Bevölkerungsdichte belastet. Außerdem kritisierte der Arbeitskreis in seinem offenen Brief das Gesetz zur Geheimhaltung von Umweltdaten als „Verschleierung und Tabuisierung von Umweltgefahren für die Bevölkerung der DDR“ und als „besondere makabre Art der Umwelterziehung“. Der Brief wird nicht nur an den Ministerrat der DDR gesendet, sondern auch an die Umwelt-Bibliothek Berlin und das Grüne Netzwerk Arche.

Offener Brief des Arbeitskreises Evangelium und Menschenrechte der Kirchengemeinde Kittlitz, Seite 1. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/RG-S 03_1
Offener Brief des Arbeitskreises Evangelium und Menschenrechte der Kirchengemeinde Kittlitz, Seite 2. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/RG-S 03_1