28.11.1989 - Streit um Kohls Zehn-Punkte-Plan

Bundeskanzler Helmut Kohl stellte am 28. November 1989 im Deutschen Bundestag ein "Zehn-Punkte-Programm" vor. Es enthielt eine klare Perspektive, wie die deutsche Einheit erreicht werden sollte. Mit seinem Programm setzte Kohl die Deutsche Einheit auf die politische Tagesordnung und überraschte damit In- und Ausland. Kohl sicherte der DDR Sofortmaßnahmen für humanitäre und wirtschaftliche Notlagen zu, verlangte im Gegenzug jedoch einen Wandel des politischen und wirtschaftlichen Systems. Kernstück des Programms war das Ziel, teilselbstständige (konförderative) Strukturen zu schaffen, die den Weg zu einer bundesstaatlichen Ordnung und damit zur deutschen Einheit ebnen sollten. Um Bedenken des Auslands zu zerstreuen, sollte der Einigungsprozess in eine weitergehende europäische Integration eingebettet werden. Unerwähnt blieben die Frage um die polnische Westgrenze und die Bündniszugehörigkeit eines wiedervereinten Deutschlands, wobei beide Themen in den folgenden Wochen an Bedeutung gewannen.

Im Dezember 1989 wird eine Meldung der DDR-Nachrichtenagentur ADN publik, laut der das Neue Forum einen Volksentscheid zum 10-Punkte-Plan von Helmut Kohl forderte. In einem von Claus Gerd Scheidig und Christiane Pätzold an ADN übergebenen Schreiben heißt es:

„Nach dem 11 < sechs Wochen lang erfolglos hinausgezögerten Kollaps des überkommenen SED-Apparates> gebe es für ehrliche, verantwortungsbewusste Menschen, die bereit seien, in dieser schweren Stunde politische Verantwortung zu übernehmen, nur dieses. Ein langfristig möglicher einheitlicher deutscher Nationalstaat in den jetzigen Grenzen von DDR und Bundesrepublik und bei Herauslösung aus den militärischen Verpflichtungen des Warschauer. Vertrages und der NATO, so das Schreiben, dürfe nicht länger als indiskutable Utopie betrachtet werden.“

Meldung der DDR-Nachrichtenagentur ADN, laut der das Neue Forum forderte über Helmut Kohls 10-Punkte-Plan in einen Volksentscheid abzustimmen. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/NFo 347/8

Der Sprecherrat des Neuen Forums veröffentlicht daraufhin eine Gegendarstellung, in der man sich von der Pressemitteilung und den darin erhobenen Forderungen nach einem Volksentscheid über den 10-Punkte-Plan und einer Wiedervereinigung distanziert. Ein Claus Gerd Scheidig und eine Christane Pätzold seien dem Neuen Forum nicht bekannt. Außerdem seien Erklärungen des Neuen Forums nur mit Unterschriften von Mitglieder des Sprecherrates des Neuen Forums gültig.

Gegendarstellung des Neuen Forums zur Meldung der DDR-Nachrichtenagentur ADN, laut der das Neue Forum forderte über Helmut Kohls 10-Punkte-Plan in einen Volksentscheid abzustimmen zu lassen. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/NFo 347/7