"Faschistischer Eintopf" am sowjetischen Ehrenmal

Ein Teil des sowjetischen Ehrenmals im Januar 2021. Quelle: RHG

Die Erkenntnis, dass es in der DDR ein Problem mit Neonazis gab, konnte spätestens seit den 1980er Jahren auch durch die Staatssicherheit nicht mehr unterdrückt werden. Zur Jahreswende 1989/1990 geriet ausgerechnet das sowjetische Ehrenmal im Treptower Park in den Mittelpunkt der Diskussion über den Rechtsextremismus in der DDR.

In der Nacht vom 27. auf den 28. Dezember 1989 gelangten Unbekannte auf das Gelände des weitläufigen Denkmals im Treptower Park und bemalten Sarkophage und den Sockel der Krypta mit Schmierereien, die in den Verursachern Anhänger rechtsradikaler Ideologien vermuten ließen. Zu lesen waren dort Parolen wie "Besatzer raus", "Volksgemeinschaft statt Klassenkampf" und andere Losungen.

Die scheidende DDR-Regierung versuchte die Umstände für sich zu nutzen. Der damalige Chef der SED-PDS Gregor Gysi, sprach von einer "Gefahr von rechts", die nun nach der Öffnung der Grenzen durch westdeutsche Neonazis der DDR drohte. Am 3. Januar 1990 versammelten sich nach einem Aufruf der SED-PDS bis zu 250.000 Menschen im Treptower Park. Sie forderten unter anderem ebenfalls die von der Regierung Modrow bereits beschlossene Schaffung eines DDR-Verfassungsschutzes als Ersatz für das sich in Auflösung befindliche und zu diesem Zeitpunkt bereits umbenannte Ministerium für Staatssicherheit. Dieser sollte sich um das Neonazi-Problem kümmern. Die Junge Welt forderte: "Ein Amt muss sofort her". Die Regierung Modrow versuchte mit der angestrebten Schaffung eines neuen Inlandsgeheimdienstes das alte Ministerium für Staatssicherheit in anderer Form in die neue Zeit zu retten.

Oppositionelle Gruppen forderten stattdessen eine endgültige Abschaffung aller Geheimdienste und hatten Zweifel an der These von den neonazistischen Urhebern der Schmierereien. Am 8. Januar 1990 griff der "telegraph" als illegal produzierte Nachfolgepublikation der "Umweltblätter" der Berliner Umwelt-Bibliothek die Diskussion rund um die Schmierereien im Treptower Park und den neuen Geheimdienst in einem Artikel auf. Der Autor wählte die Überschrift "Faschistischen Eintopf", als hätten sich SED und Presse die Debatte um den auf Grund der neuen rechten Bedrohung unbedingt benötigten Geheimdienst, wie Chefköche nach eigener Rezeptur selbst zusammengestellt. Dabei habe sich die DDR-Presse bisher kaum mit konkreten Berichterstattungen zu dem Thema ausgezeichnet. Alle Antifa-Gruppen seien besser informiert als die offiziellen Medien und könnten bessere Auskunft über die Neonazi-Szene geben als ND oder Junge Welt.

"Faschistischer Eintopf", erschienen am 8. Januar 1990 in "telegraph".

Gerüchte, dass die Farbschmierereien inszeniert gewesen sei, um die Schaffung eines DDR-Verfassungsschutzes zu rechtfertigen, halten sich bis heute hartnäckig. So heißt es bereits Anfang Januar 1990 im Magazin DER SPIEGEL: "Das Treptower Ehrenmal wird, wie Anwohner wissen, regelmäßig von Polizeistreifen kontrolliert. Die unmittelbar nach der Entdeckung wieder abgewaschenen Schmierereien aber sahen nach Augenzeugenberichten nicht so aus, als seien sie mal eben schnell im Vorübergehen aufgesprüht worden. Buchstabe um Buchstabe seien die Texte aufgemalt worden, auf vielen Steinen - eine ganze Kolonne von Malern war wohl am Werk."

Die Verantwortlichen für den Farbanschlag konnten allerdings nicht ermittelt werden. Und auch der Beschluss zur Schaffung eines DDR-Verfassungsschutzes wurde in einer Sitzung des Zentralen Runden Tisches der DDR am 13. Januar 1990 wieder aufgehoben.

Das sowjetische Ehrenmal steht bis heute, auch wegen seiner Funktion als Kriegsgräberstätte, im Treptower Park. Das Problem Rechtsradikalismus existiert bis heute.