1977/78 wird in DDR-Zeitschriften der im Westen aufkeimende Punk als „Mittel im Arsenal bürgerlicher Ideologien, mit denen die Volksmassen manipuliert werden“, erwähnt. 1979 taucht auch in der DDR eine dem sozialistischen Selbstverständnis fremde Spezies auf. In den Straßen von Ost-Berlin, Leipzig oder Weimar erscheint das Phänomen Punk zeitversetzt zur Bewegung in London. Die Wirkung, die die ersten Punks im Arbeiter- und Bauern-Staat hinterlassen, ist eigentlich nur mit der Landung Außerirdischer zu vergleichen. Die Punks nehmen sich Freiheiten heraus, die bis dahin in der DDR undenkbar waren.
Sie rebellieren gegen den grauen, eintönigen Alltag in der DDR. Mit ihrem provokanten Aussehen und ihrer anarchischen Gesinnung sind sie in den Augen der DDR-Führung potenzielle Staatsfeinde. Sie werden kriminalisiert und geheimdienstlich überwacht. Ihnen bleiben nur wenig Auftrittsmöglichkeiten, z. B. in Privat-Wohnungen und kirchlichen Räumen.
Rund um dieses spannende Thema sind in den Beständen des Archivs der DDR-Opposition sowohl Fotos als auch schriftliche Dokumente und Musikkassetten überliefert. Im Folgenden geben wir dazu einen kleinen Einblick:
In der Datenbank des Archivs sind bis zum jetzigen Zeitpunkt 754 Fotos zum Thema „Punk in der DDR“ verzeichnet und erschlossen. Von Greifswald bis Dresden, von Frankfurt/Oder über Halle/Saale bis ins thüringische Rudolstadt haben Volker Döring, Nikolaus Becker, Robert Conrad, Hartmut Beil, Geralf Pochop, Aram Radomski und Siegbert Schefke – teilweise selbst in der Punkszene verwurzelt – das Thema in vielfältiger Weise fotografisch dokumentiert. Dazu gehören Fotos von illegalen Konzerten in privaten Wohnungen und auf Dachböden, von Punkmusik unter dem schützenden Dach der Kirche, aus improvisierten Probenkellern, von Feten und privaten Treffen.
Die Schriftgutbestände im Archiv der DDR-Opposition zeigen außerdem, dass einige kirchliche Mitarbeiter jugendlichen Punks schon zu Beginn der 1980er Jahre in ihren Gemeinden, etwa in Berlin-Friedrichshain oder Halle/Saale, einen Anlaufpunkt boten. Verschiedenste Samisdatzeitschriften greifen das Thema Punks im Laufe der 1980er Jahre auf, indem sich z. B. die Blätter Öffnungszeit oder Kreuzkirche Infoheft schon 1986 unter Überschriften wie „Zum Thema Randgruppen - problematische Begriffe“ und „Schräge Vögel - ihre Würde, ihre Bürde“ diesem subkulturellen Phänomen widmen. Die Umweltblätter oder der mOArningstar thematisieren durch Berichte über polizeiliche Willkür und Solidaritätsaktionen Repressionen gegenüber Punks in Dresden 1988.
Neben solchen Dokumenten weisen unsere Archivbestände auch eine Sammlung von Veranstaltungsplakaten, die Punkkonzerte und -feste in der DDR in den 1980er Jahren ankündigen, auf. Außerdem befinden sich im Audiobestand überspielte Kassetten von Punkbands wie den Fanatischen Frisören, Happy Straps oder Kalabatek Exzek.
Schon zu Beginn der 80er Jahre finden jugendliche Punks Freiräume in den Kirchen und werden dort als Teil der „Offenen Arbeit“ bzw. „Punkarbeit“ von kirchlichen Mitarbeitern betreut. Der Bestand aus dem Bereich Schriftgut enthält zahlreiche Dokumente, die das Verhältnis von Punks und Kirche in dieser Zeit wiederspiegeln. Berichte über damalige Punkkonzerte und Feste, häufig in den von oppositionellen Gruppen in Eigenproduktion hergestellten Samisdatzeitschriften veröffentlicht, geben davon ein Zeugnis. Wie sehr die Punks als zunehmend im Straßenbild sichtbare Jugendkultur unter der Repression durch Polizei und MfS litten, ist gleichsam in Augenzeugenberichten festgehalten. Schilderungen alltäglicher Diskriminierung, Beschreibungen von Zuführungen bis hin zu als Schauprozessen gestalteten Gerichtsverhandlungen können in unserem Bestand recherchiert und eingesehen werden. Auch DDR-weite Solidaritätsbekundungen anderer oppositioneller Gruppen, die so auf Verhaftungswellen unter den Punks reagieren, finden sich als wichtige Zeitdokumente in unserem Archiv.
Neben den eingangs geschilderten Dokumenten weist unser Bestand auch eine kleine Sammlung von Veranstaltungsplakaten für Punkkonzerte und-feste in der DDR der 80er Jahre auf.