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Am 2. Dezember 2024 ist der aus dem rumänischen Banat stammende Schriftsteller, Essayist, Journalist und Dokumentarfilmer Helmuth Frauendorfer nach kurzer schwerer Krankheit in Fürth verstorben. Bereits als junger Literat und Kritiker des kommunistischen Regimes in Rumänien wurde er von der Geheimpolizei Securitate verfolgt und zur Aussiedlung in die Bundesrepublik Deutschland gezwungen, wo er sich in verschiedenen Tätigkeitsfeldern für die Aufarbeitung der kommunistischen Diktaturen Ost- und Südosteuropa einsetzte.
Helmuth Frauendorfer wurde am 5. Juni 1959 in Wojteg im rumänischen Banat geboren. 1978 erwarb er am Nikolaus-Lenau-Gymnasium in Temeswar die Allgemeine Hochschulreife und lehnte bereits dort wie auch während der im Folgenden absolvierten Armeezeit Anwerbungsversuche durch die rumänische Geheimpolizei Securitate ab. Von 1979 bis 1984 absolvierte er ein Studium der Germanistik, Anglistik und Pädagogik an der Universität Temeswar und war zudem verantwortlicher Redakteur der deutschsprachigen Literaturbeilage der Studentenzeitschrift ‚Forum studenţesc‘, in der er frühe Arbeiten der späteren Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller unterbringen konnte. Bereits ab 1977 konnte er selbst literarische und andere Beiträge in verschiedenen deutschsprachigen Zeitungen Rumäniens veröffentlichen und war zeitweilig Leiter der deutschsprachigen studentischen Theatergruppe ‚Thalia Studio‘. Seit Ende der 1970er Jahre war Helmuth Frauendorfer jüngstes Mitglied des Adam Müller-Guttenbrunn-Literaturkreises, einer dissidenten Schriftstellergruppierung um Nikolaus Berwanger, der u. a. Herta Müller, Richard Wagner, William Totok, Johann Lippet, und Horst Samson angehörten. Die Kritik des Kreises an kulturpolitischen Maßnahmen des Ceauşescu-Regimes und der mutige Widerstand gegen die Repressionen kommunistischer Herrschaft in Rumänien hatten für Helmuth Frauendorfer zur Folge, dass ab Juli 1982 ein Operativer Vorgang der rumänischen Geheimpolizei gegen ihn eröffnet wurde. Im Sommer 1984 wurde er nach einem mehrtägigen brutalen Verhör durch die Securitate wegen „staatsfeindlicher Hetze“ mit einem Publikationsverbot im Banat belegt. Zudem musste er eine Lehrerstelle im mehrere hundert Kilometer von Temeswar entfernten Bradu annehmen. Entgegen einer Absprache mit dem rumänischen Schriftstellerverband, Helmuth Frauendorfer als Redakteur seiner Zeitschrift ‚Neue Literatur‘ anzustellen, wurde er 1986 nach der zu diesem Zweck notwendigen Kündigung seiner Lehramtsstelle auf Druck der Securitate zur ‚persona non grata' erklärt und schließlich arbeitslos. Dies hatte zur Folge, dass er jederzeit mit einer Verhaftung und Verurteilung zur Zwangsarbeit rechnen musste. Nachdem er im Januar 1987 aus politischen Gründen einen Ausreiseantrag gestellt hatte, erhielt er ein Publikationsverbot für ganz Rumänien. Sein Antrag wurde schließlich genehmigt und er reiste Ende Dezember 1987 aus. Wie bereits Herta Müller und Richard Wagner, die im Frühjahr 1987 ihre rumänische Heimat verlassen mussten, siedelte Frauendorfer nach West-Berlin über. 1988 und 1989 war er Mitinitiator und Koordinator der ‚Internationalen Aktionstage Rumänien‘, die auf die desaströsen Verhältnisse in Rumänien aufmerksam machten, und arbeitete von 1989 bis 1992 als hauptverantwortlicher Koordinator gemeinsam mit Petra Kelly und Lukas Beckmann im ‚Menschenrechtskomitee Rumänien‘ der Heinrich-Böll-Stiftung. Nach dem Ende der Ceauşescu-Diktatur und dem Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaft in Rumänien gab Helmuth Frauendorfer im Jahre 1990 zusammen mit Richard Wagner unter dem Titel ‚Der Sturz des Tyrannen. Rumänien und das Ende der Diktatur‘ eines der ersten deutschsprachigen Bücher mit Berichten und Hintergrundanalysen zu den folgenreichen Geschehnissen heraus. In diesem Band findet sich unter anderem ein von ihm zusammen mit Herta Müller und Richard Wagner verfasster Beitrag über die unheilvollen Machenschaften der Securitate.
In den Folgejahren setzte er sich neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit in Dokumentarfilmen und zahlreichen Hörfunk- und Fernsehbeiträgen für die Aufarbeitung der kommunistischen Diktaturen ein – vor allem mit Beiträgen über Ereignisse in Rumänien und in der DDR. Von 2010 bis 2018 trug er als Bildungsreferent und stellvertretender Direktor der Gedenkstätte Hohenschönhausen in Berlin zur kritischen Aufarbeitung der SED-Diktatur bei.
Die Aufklärung über die totalitären Machtstrukturen des Kommunismus waren stets ein zentrales Anliegen seiner schriftstellerisch-künstlerischen, journalistischen und bildungspolitischen Tätigkeit.
2016 übergab Helmuth Frauendorfer dem Archiv der DDR-Opposition der Robert-Havemann-Gesellschaft einen Großteil seines persönlichen Archivbestandes, der neben persönlichen Dokumenten und eigenen Veröffentlichungen vor allem umfangeiche Sammlungen zu rumäniendeutschen Literaten enthält, von denen sich einige kritisch mit dem kommunistischen Regime des Conducators Nicolae Ceaușescu auseinandersetzten. Hervorzuheben sind zudem Materialien zu seiner journalistischen Tätigkeit und Unterlagen zum Menschenrechtskomitee Rumänien, dessen Gründung und erste Aktivitäten Frauendorfer als Koordinator maßgeblich mitbestimmte.
Die Robert-Havemann-Gesellschaft trauert um Helmuth Frauendorfer und ist in Gedanken bei seiner Familie und seinen Freundinnen und Freunden.