Werner Schulz – leidenschaftlicher Streiter für Freiheit und Demokratie in Geschichte in Gegenwart

Werner Schulz im Jahr 2010. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Dirk Vogel/RHG_Fo_HAB_21077a

Werner Gustav Schulz wurde am 22. Januar 1950 in Zwickau als Sohn eines selbstständigen Fuhrunternehmers in ein sozialdemokratisch geprägtes Elternhaus geboren und verbrachte dort seine Kindheit und Jugend. Den Mauerbau 1961 erlebte er während eines Ferienbesuches bei seiner Großmutter in Baden-Württemberg, kehrte aber gemeinsam mit seinem Vater zu Mutter und Schwester nach Sachsen zurück. 1966 wurde seine Schwester wegen versuchter Republikflucht verhaftet. Diese und andere Erlebnisse prägten den jungen Werner Schulz – auch die eigene widerwillige Unterschrift unter eine Resolution 1968, die den Einmarsch von Warschauer-Pakt-Truppen in die ČSSR befürwortete: Er hatte 1968 das Abitur mit Berufsausbildung zum Lokomotivschlosser absolviert und wollte im selben Jahr sein Studium der Lebensmitteltechnologie an der Humboldt-Universität in Ost-Berlin beginnen. Bereits bei der Einführungsvorlesung wurde der Student wie viele andere aufgefordert, die Resolution zu unterschreiben, weigerte sich jedoch, war zunächst bereit die angedrohte Exmatrikulation hinzunehmen. Seine Mutter überzeugte ihn mit Verweis auf den Stolz des gerade verstorbenen Vaters über die Zulassung seines Sohnes zum Studium, dies wegen einer solchen "Formalie" nicht zu riskieren. Für Werner Schulz war die Unterschrift ein "Genickbruch" und zugleich ein Wendepunkt. Gegen seine Überzeugung wollte er nicht mehr handeln.

Weg in die Opposition

Während seiner Studienzeit lebte er im Ostberliner Bezirk Prenzlauer Berg und knüpfte immer mehr Kontakte zu "Leuten, die ebenfalls eine kritische Sicht auf die Zustände in der DDR" hatten, wie er über seinen politischen Werdegang sagte. In Hinterhofwohnungen diskutierten sie, tauschten Literatur und Platten. Musikalisch bewegten ihn unter anderem Bands wie Studio 4, die Butlers und die Klaus-Renft-Combo. Zu einem treuen Anhänger von Gerulf Pannach wurde er Anfang der 1970er Jahre, wie Werner Schulz später mal in einem Brief an Amrei Pannanch schrieb. Er habe ihn im Mülsener "Armorsaal" kennengelernt, als Gerulf Pananch gemeinsam mit der Klaus-Renft-Combo auftrat und Lieder von Wolf Biermann sang. Der Mut "öffentlich zu sagen, was uns auf den Geist ging" hatte den jungen Studenten Werner Schulz beeindruckt. Er begann, sich in kirchlichen Friedens-, Ökologie- und Menschenrechtskreisen zu engagieren, wandte sich gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns, verweigerte den Dienst an der Waffe in der Nationalen Volksarmee und leistete von 1976 bis 1978 Wehrersatzdienst als Bausoldat.

Werner Schulz (2. v. l.) bei der Vorstellung des Buches „Als ich wie eine Vogel war. Gerulf Pannach – Die Texte“ im November 2021. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Frank Ebert

Für den Ersatzdienst musste er auch seine Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent an der Humboldt-Universität unterbrechen, die er nach zwei Jahren im Volkseigenen Kühlbetrieb Berlin 1974 antrat, um zu promovieren. Das blieb ihm jedoch wegen seiner politischen Haltung verwehrt. Die Humboldt-Universität entließ ihn 1980, kurz vor der Fertigstellung seiner Dissertation, weil er sich gegen den Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan positionierte und sich diesmal endgültig weigerte, eine Resolution zu unterschreiben, die den Militäreinsatz befürwortete. Nach einigen Monaten Arbeitslosigkeit war er von 1980 bis 1988 am Institut für Sekundärstoffwirtschaft (Recyclingtechnologie) Berlin und später bis 1990 in der Umwelthygieneinspektion Lichtenberg tätig. Sein politisches Engagement trennte er dabei nicht automatisch von seinem Berufsalltag. Manchmal nahm er, gegen die Warnungen des Institutsdirektors, auch Kollegen mit zu thematischen Veranstaltungen des Pankower Friedenskreises.

Die Mitbegründung des Pankower Friedenskreis 1981 war für ihn ein wesentlicher Schritt raus aus der "Wohnungsopposition" der Hinterhöfe im Prenzlauer Berg in einen öffentlicheren Raum. Dort konnte er mit seinen Mitstreitern und Mitstreiterinnen Veranstaltungen durchführen und mit anderen diskutieren. Werner Schulz betonte, dass dies der erste oppositionelle Kreis unter dem Dach der Kirche war, der den Ansatz der Charta 77 und Solidarność konzeptionell zusammenzubringen wollte. Der Gedanke sei gewesen, "die Kritik an der Militarisierung der DDR-Gesellschaft, den Demokratie-, Menschenrechts- und Umweltschutzdefiziten im Rahmen einer nicht staatlichen Institution öffentlich zu machen." Im Rahmen des Operativen Vorgangs "Virus" wandte das Ministerium für Staatssicherheit viel Energie für die Überwachung und Zersetzung des Friedenskreises auf.

Die Friedliche Revolution als Selbstbefreiung

Demonstration gegen den Wahlbetrug vor der Ostberliner Sophienkirche am 7. Juni 1989. Werner Schulz verlässt gerade die der Kirche. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Hans-Jürgen Röder/RHG_Fo_HAB_15005
Werner Schulz mit Wolf Biermann beim Festakt zum 20. Jahrestag der Friedlichen Revolution am 9. Oktober 2009 im Leipziger Gewandhaus. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Frank Ebert
Rede des Bürgerrechtlers und damaligen Bündnisgrünen Europa-Politikers Werner Schulz beim Festakt zum 20. Jahrestag der Friedlichen Revolution am 9. Oktober 2009 im Leipziger Gewandhaus. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Frank Ebert

Am 9. November 1989 schrieb er gerade mit anderen am Programm des Neuen Forums. Erst als ein Freund sie informierte, dass die Menschen an der Bornholmer Straße bereits die Grenze passieren, ließen sie die Papiere liegen. Werners Schulz weckte seine Frau Monika und überquerte mit ihr die Bösebrücke in den Westberliner Bezirk Wedding. Plötzlich von der Befürchtung erfasst, nicht wieder zurückzukommen, kehrten sie um. Schließlich wollte Werner Schulz sein Land nicht verlassen, sondern es verändern. Später betonte er immer wieder, dass die Mauer am 9. November 1989 nicht einfach umgefallen ist. "Es war keine Maueröffnung oder was sonst noch behauptet wird." Der Druck und Freiheitswille der Menschen habe letztlich zum Mauerdurchbruch als "Schlussakt der Selbstbefreiung einer aktiven Generation" geführt.

Als Vertreter des Neuen Forums saß er am Zentralen Runden Tisch und setzte sich dort für eine neue Verfassung der DDR und eine gemeinsame Verfassungsdiskussion nach Artikel 146 des Grundgesetzes ein. In den letzten drei Jahrzehnten machte er immer wieder darauf aufmerksam, dass das Fehlen dieser Diskussion und somit einer gemeinsamen Legende für die neue Zeit im vereinten Deutschland zum Teil auch zum Frust vieler in Ostdeutschland beigetragen habe. Auch wenn diese Chance vertan wurde, bildete der Verfassungsentwurf für ihn ein wesentliches Vermächtnis der Friedlichen Revolution.

 

 

Verfassungsentwurf für die DDR, Berlin 1990. Quelle: BasisDruck Verlag/Robert-Havemann-Gesellschaft

Der Weg zu Bündnis 90/Die Grünen, für die er nicht nur in der Volkskammer, sondern auch im gesamtdeutschen Bundestag und im Europäischen Parlament sitzen, streiten und gestalten sollte, hatte schon im Oktober 1989 begonnen. Werner Schulz hatte damals an der Gemeinsamen Erklärung verschiedenster oppositioneller Gruppen vom 4. Oktober mitgewirkt. Die Vertreterinnen und Vertreter hatten sich getroffen, um ein mögliches gemeinsames politisches Handeln zu besprechen. In der Erklärung benannten sie Eckpunkte für freie demokratische Wahlen wie die Pflicht eine Wahlkabine aufzusuchen oder die Kontrolle durch die UNO. Die Verfasser zielten außerdem auf eine Zusammenarbeit der Gruppen und ein Wahlbündnis mit gemeinsamen eigenen Kandidaten und Kandidatinnen. Werner Schulz gehörte zu den Befürwortern eines solchen Wahlbündnisses. 

Gemeinsame Erklärung von Vertretern verschiedenster politsicher Gruppierungen vom 4. Oktober 1989, unterschrieben u. a. von Werner Schulz. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/BBo 091

Im Februar 1990 ging Bündnis 90 mit einer Kandidatenliste in den Wahlkampf für die erste freie und demokratische Volkskammerwahl am 18. März 1990. Diese Wahlen zu erleben, bezeichnete er als einen Höhepunkt seiner politischen Geschichte. Trotz des enttäuschenden Wahlergebnisses zog Werner Schulz in die Volkskammer ein. Er war Teil des zwanzigköpfigen Fraktionszusammenschlusses Bündnis 90/Grüne, rang u. a. um den Weg zur deutschen Einheit, das Kommunalvermögensgesetz oder auch den Umgang mit den Stasi-Akten.

Wahlplakat von Werner Schulz und anderen Kandidatinnen und Kandidaten von Bündnis 90 für die freien und demokratischen Volkskammerwahlen 1990. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/PL_S_288
Werner Schulz (Mitte) mit seinem Fraktionskollegen Gerd Poppe (l.) vor der Volkskammer Ende März 1990 im Gespräch mit einem Bürger. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Aram Radomski/RHG_Fo_ARa_04_066-16

Deutsch-Deutsche Politik im Bundestag

Während die Kandidaten der westdeutschen Grünen bei den ersten gesamtdeutschen Bundestagswahlen nach dem II. Weltkrieg am 2. Dezember 1990 an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterten, konnte die ostdeutsche Listenverbindung Bündnis 90/Die Grünen mit acht Kandidatinnen und Kandidaten in den Deutschen Bundestag einziehen. Werner Schulz wurde als einer von ihnen Sprecher und parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsgruppe. In seinem Lebenslauf schrieb er, die Gruppe habe nach dem "Ausfall der Grünen die Sonnenblume im Bonner Tulpenfeld hochgehalten". 1991 vereinigten sich die Initiative Frieden und Menschenrechte und Demokratie Jetzt und Teile des Neuen Forums, inklusive Werner Schulz, auch zur politischen Partei Bündnis 90. Er leitet von 1991 bis 1993 die Assoziierungsverhandlungen mit der Partei Die Grünen. Angesichts der Unterstützung für die Opposition in der DDR, die von westdeutschen Grünen in den 1980er Jahren ausgegangen war, waren sie für ihn „genuine Verbündete“. Zudem sah er realpolitischer als andere aus der Bürgerrechtsszene dadurch die beste Überlebenschance für Bündnis 90 im bundesrepublikanischen Parteiensystem.

Trotz vieler Schwierigkeiten, von der Zerstrittenheit westlicher Grüner bis zur Kritik von Bärbel Bohley oder Konrad Weiß, gelang besonders ihm schließlich die Fusion beider Parteien – mit der Erstnennung des Zusammenschlusses aus ostdeutschen Bürgerbewegungen – zu Bündnis 90/Die Grünen. Für Werner Schulz entstand hier, was in der Verfassungsfrage versäumt worden war: eine deutsch-deutsche Vereinigung auf Augenhöhe. 

Wahlplakat von Werner Schulz im Bundestagswahlkampf 1994 für Bündnis 90/Die Grünen. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/PL_S_360

Auch nach dem Wiedereinzug westdeutscher Parteiangehöriger 1994 in den Bundestag blieb Werner Schulz bis 1998 Parlamentarischer Geschäftsführer. Nur acht Jahre nach der deutschen Einheit gehörte er während der rot-grünen Koalition als wirtschaftspolitischer Sprecher einer Regierungsfraktion an. Er blieb seit seinem Einzug in den Bundestag unbequem – wenn er etwa eine Militärintervention im Bosnienkrieg befürwortete, die parteieigene Offenheit für schwarz-grüne Koalitionen forderte oder 2003 als einziger Bündnisgrüner nicht dem dritten und vierten Hartz-Gesetz zustimmte und sich auch bei der Gesundheitsreform der Stimme enthielt.

Werner Schulz war ein mitreißender Redner – das bewies er nicht nur bei seiner erfolgreichen Kandidatur für einen Berliner Listenplatz für die Bundestagswahl 2002. Sah er demokratische Werte in Gefahr, begehrte er auf – so auch 2005 als Bundeskanzler Gerhard Schröder eine "unechte Vertrauensfrage" stellte – und ging bis vor das Bundesverfassungsgericht. Für seine scharfzüngige Erklärung gegen das politische Manöver erhielt er massive Kritik, aber auch eine Auszeichnung für die Rede des Jahres aus der Universität Tübingen.

Nach den durch die Vertrauensfrage herbeigeführten Neuwahlen schied Werner Schulz aus dem Bundestag aus, blieb aber lokal politisch aktiv, publizierte oder hielt Vorträge. Außerdem widmete er sich dem Ausbau seines Rückzugortes in der Uckermark, wo er schließlich bis zu seinem unerwarteten Tod mit seiner Frau Monika lebte. Erholung fand er nicht nur zu dieser Zeit unter anderem an der Ostsee. Seine Frau Monika, mit der er zwei erwachsene Kinder und Enkelkinder hatte, stand in all den Jahrzehnten bei seinen umfänglichen politischen Aktivitäten nicht nur an seiner Seite, sie teilte seine Prinzipien und sein Engagement trotz der Hürden und Risiken.

Europaabgeordneter mit wachem Blick nach Osten

Seinen Einzug ins Europaparlament 2009 hatte der Vollblutpolitiker erneut seiner Fähigkeit zu wirkmächtigen Worten zu verdanken. Bei der Bundesdelegiertenkonferenz seiner Partei hatte er sich mit einer fulminanten Rede entgegen der Nominierungen von einer Abseitsposition auf einen sicheren Listenplatz gekämpft. Im Europaparlament, dem er daraufhin bis 2014 angehörte, war er Mitglied im Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten, stellvertretendes Mitglied im Wirtschafts- und Währungsausschuss und stellvertretender Vorsitzender der Russland-Delegation des Europäischen Parlaments.

Er warnte seit Jahren vor den Gefahren, die vom putinistischen Russland für Frieden, Freiheit und Demokratie in Europa ausgehen. Schon als Wladimir Putin 2001 seine viel "beklatschte" Rede vor dem Deutschen Bundestag hielt, zeigte er sich unter anderem angesichts der Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien entsetzt darüber, dass die Parlamentarier ihn wie "einen Enkel Gorbatschows" gefeiert und nicht als "Ziehsohn des KGBs" erkannten. In seiner Zeit im Europäischen Parlament widmete er sich verstärkt den Entwicklungen im östlichen Europa und Russland. Begegnungen wie mit der 2006 in Moskau erschossenen Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Anna Politkowskaja oder dem 2015 ebenfalls in Moskau ermordeten Oppositionellen Boris Nemzow prägten ihn. Er erinnerte sich an die Unterstützung der westdeutschen Grünen für die oppositionellen Kräfte in der DDR und wollte ebenso die russische Opposition unterstützen, setzte sich u. a. auch für die Putin-kritsiche Punkrock-Band Pussy Riot ein.

Am Ende seiner Legislatur 2014 mahnte er mit historischem und weitsichtigem Sachverstand die EU, Putin und seiner "Macht-Clique" Einhalt zu gebieten und die sicherheitspolitischen Bedenken in Osteuropa – u. a. der Ukraine – und die Aufpolierung des Feindbildes "Westen" ernst zu nehmen. Viele, die meisten, wollten ihn nicht hören. Noch am 22. Februar 2022, zwei Tag vor dem russischen Überfall auf die Ukraine, verfasste er einen Offenen Brief an den Bundesvorstand und die Regierungsmitglieder seiner Partei, verwies auf das Völkerrecht, das Budapester Memorandum und warb um Waffenlieferungen an die Ukraine und vieles mehr.

Ein temperamentvoller Streiter für die Werte der freiheitlichen Demokratie

Für sein energisches Engagement in Geschichte und Gegenwart wurde er mehrfach geehrt, u. a. mit dem Verdienstkreuz am Bande sowie dem Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland und zuletzt noch in diesem Jahr mit dem Deutschen Nationalpreis.

In welcher politischen Position Werner Schulz sich auch immer befand, bemühte er sich um die Aufklärung über die SED-Diktatur, besonders den Widerstand und die Opposition dagegen und die Errungenschaften der Friedlichen Revolution, unterstütze auch die Gründung der Robert-Havemann-Gesellschaft und ihre Arbeit und Vorhaben bis ins Jahr 2022 hinein. Er war ein seltenes energisches großes Stück Bündnis 90 in der gesamtdeutschen Partei Bündnis 90/Die Grünen.

Werner Schulz bestach durch seine pointierte Analyse und Weitblick, war belesen, zitierte u. a. Václav Havel, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Stefan Zweig, Jewgeni Jewtuschenko Tuschenko oder Erich Loest. Letzterer habe ihn stark geprägt, inspiriert, sich den Mund nicht verbieten zu lassen und Mut für einen demokratischen Widerstand gegeben. Werner Schulz konnte sich herrlich aufregen etwa über Gregor Gysi oder in der Auseinandersetzung mit Jana Hensel und Detlef Pollack um die Interpretation der Friedlichen Revolution und unermüdlich in ein Thema verbeißen. Manchmal konnte er in seinem aufrichtigen Eifer "der Sache willen" auch über das Ziel hinausschießen. Aber er hatte Mut zu widersprechen, agierte aus tiefer Überzeugung oft gegen den Strom. Er war ein streitbarer und unermüdlicher Kämpfer für die Rechte der Menschen, Freiheit und Demokratie und ließ aufhorchen, wenn er sich zu Wort meldete.

Er selbst gehört zu den Persönlichkeiten, die durch ihren Mut und ihre Beharrlichkeit dazu beigetragen haben, dass die Menschen aus der DDR die Mauer am 9. November schließlich durchbrachen. Als Schicksalstag der Deutschen mit seinen guten und schlechten Seiten wollte er den 9. November zum "nationalen Gedenkfeiertag" machen, der auch die innere Einheit der Nation voranbringen könne. 33 Jahre nach dem Mauerdurchbruch verstarb Werner Schulz, ein unermüdlicher Mahner mit Weitblick und Streiter für die freiheitliche Demokratie in Deutschland und Europa, plötzlich und ausgerechnet an diesem historischen Tag. Auch nach 72 ereignisreichen und wirkungsvollen Jahren viel früh – Du hättest uns noch sehr viel zu sagen gehabt.

Lieber Werner, ich danke Dir für Deine Geschichte und die Gespräche mit Dir, die mich schon in meiner Jugend nachhaltig inspiriert haben. Ich werde unseren Austausch, Deinen wachsamen Geist, Deine leidenschaftliche Stimme für eine freiheitliche Demokratie in Deutschland und Europa sehr vermissen.

Anja Schröter, Robert-Havemann-Gesellschaft