Uwe Bastian auf dem Stadtfest in Großenhain, im Sommer 1980. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Tom Sello/RHG_Fo_HAB_19773
Am 24. Mai 1988 in der Galerie der Umwelt-Bibliothek. V. l. n. r.: Conny Bauer, unbekannt, unbekannt, Gerold Hildebrand, Uwe Bastian, Uta Ihlow, Dirk Moldt. Quelle. Robert-Havemann-Gesellschaft/Wolfgang Rüddenklau/RHG_Fo_HAB_10112
Die beiden Oppositionellen Uwe Bastian (links) und Siegbert Schefke (rechts) werden von der Staatssicherheit observiert. Quelle: Bundesarchiv / Stasi-Unterlagen-Archiv / MfS HA XX/Fo/738/Bild 16
Demonstration gegen die Zensur kirchlicher Zeitungen am 10. Oktober 1988. Uwe Bastian (Bildmitte, über dem „D“ von „Die“). Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Bernd Weu/RHG_Fo_BWeu_1483

Uwe Bastian (1957–2024)

Für Uwe Bastian waren Demokratie, Menschenrechte und eine sozial verträglich gestaltete Energiewende keine abstrakten Begriffe, sondern Werte, für die er sich zeit seines Lebens in unterschiedlichen Zusammenhängen einsetzte.

Uwe Bastian wurde am 7. Juni 1957 als Sohn eines Volkspolizisten in Großenhain geboren, wo er 1976 sein Abitur ablegte. Bereits während seiner Schulzeit widersetzte er sich einem Anwerbungsversuch durch die Staatssicherheit. Er positionierte sich kritisch zum DDR-System, das er später als eine „totalitäre staatskapitalistische Diktatur“ bezeichnete. Aufgrund seiner politischen Dissidenz wurde ihm der Zugang zum Studium verwehrt. Nach Beendigung seines Grundwehrdienstes absolvierte er eine Ausbildung als Berufskraftfahrer und arbeitete als solcher bis 1984. In dieser Zeit war er in unabhängigen Friedens- und Umweltgruppen in Dresden aktiv. Er beteiligte sich 1982 an einer Flugblattaktion für eine Volksabstimmung über die Einführung eines neuen Wehrdienstgesetzes. Der Stasi gelang es trotz aufwendiger Fahndungsmaßnahmen nicht, die kleine Gruppe, die hinter der Aktion stand, zu identifizieren.

1984 siedelte er nach Ost-Berlin über, wo er sich in verschiedenen Oppositionsgruppen engagierte. Zu dieser Zeit studierte er Maschinenbau im Fernstudium, das er 1988 als Diplomingenieur abschloss. Zwischen 1984 und 1985 arbeitete er als Materialplaner und Technologe im VEB Metallmöbel Berlin, ab 1986 bis 1991 als Ingenieur im VEB Berliner Aufzug- und Fahrtreppenbau.

Anlässlich eines Treffens mit Kriegsdienstgegnern und -gegnerinnen aus Ost und West in der Tschechoslowakei hatte Uwe Bastian 1985 als Beitrag zur Konsensfindung für eine nichtstaatliche, blockübergreifende Friedensbewegung ein Diskussionspapier entworfen, das sowohl in Ost-Berlin und anderen Städten in der DDR als auch in West-Berlin und den Niederlanden kursierte. Durch Verrat hatte die Staatssicherheit erfahren, dass er Autor des Papiers war und leitete den Operativvorgang „Entwurf“ gegen ihn ein. Er und seine Familie wurden zur Zielscheibe gezielter Repressionen durch das MfS.

1986 war er Mitunterzeichner einer Eingabe der Initiative Frieden und Menschenrechte an den XI. Parteitag der SED. In einem Artikel für die Frankfurter Rundschau erklärte Uwe Bastian wenig später die politischen Hintergründe dieser Eingabe, deren zentrale Forderung die Demokratisierung der DDR war. Aufgrund der internationalen Aufmerksamkeit sah die Staatssicherheit von einer Inhaftierung ab, nahm ihn aber mehrfach kurzzeitig fest, um ihn stundenlangen Verhören zu unterziehen.

Eines der Betätigungsfelder von Uwe Bastian war die Umwelt-Bibliothek in der Berliner Zionsgemeinde. Dort wurde ein Beitrag von ihm über alternative Energiewirtschaft auf der Basis regenerativer Energien gedruckt und in der inoffiziellen Zeitschrift KONTEXT veröffentlicht.

Umweltschutz und alternative Energiegewinnung beschäftigten ihn sein Leben lang. Für ihn gehörten ein nachhaltiger Umgang mit natürlichen Ressourcen und Demokratisierung der Gesellschaft zusammen. Mit einer unabhängigen linken Opposition wollte er die Vision von einem demokratischen Sozialismus realisieren. 1989 gehörte er zu den Initiatoren der „Initiative für unabhängige Gewerkschaften“, die nach Vorbild der polnischen Solidarność eine freie Interessenvertretung der Arbeiter und Angestellten in der DDR schaffen sollte. Er bewunderte die Bürgerrechtsbewegung in Leipzig und drängte auf mehr Aktionismus auch in Ost-Berlin.

Energisch setzte er sich nach 1989 für die Aufarbeitung der SED-Diktatur ein. Er stellte Spitzel und Stasi-Offiziere zur Rede und stritt für die Öffnung der Stasi-Akten. Von 1992–1996 arbeitete er im Forschungsverbund SED-Staat an der FU Berlin. In dieser Zeit entstanden verschiedene Publikationen, unter anderem der Band „Greenpeace in der DDR“. Zudem studierte er Wirtschaftswissenschaften und promovierte sich 2003 mit einer Arbeit über die „Sozialökonomische Transformation im ländlichen Raum der neuen Bundesländer.“ Diese Thematik beschäftigte ihn im Jahr 2012 noch einmal intensiver, als er im Rahmen eines Gutachtens die Neuetablierung alter SED- und LPG-Kader in der brandenburgischen Landwirtschaft untersuchte.

Zwischen 1997 und 2003 war er in der Betroffenenberatung im Bürgerbüro e.V. zur Aufarbeitung von Folgeschäden der SED-Diktatur tätig und erarbeitete hier u.a. eine Forschungsschrift über Zwangsarbeit in der politischen Haft in der DDR.

Seit 2004 lebte Uwe Bastian in Papendorf in Mecklenburg-Vorpommern und engagierte sich politisch bei den PIRATEN. Immer wieder mischte er sich politisch ein. Kurz vor dem russischen Angriffskrieg auf die gesamte Ukraine, am 11. Februar 2022, forderte er den Stopp der Erdölpipeline Nordstream II, sofortige Waffenlieferungen an die Ukraine sowie eine Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland. Als DDR-Friedensaktivist hatte er verstanden, dass eine gerechte Friedensordnung für Europa gegen ihre Feinde verteidigt werden muss. 

Am 19. Mai 2024 ist Uwe Bastian verstorben. Die Robert-Havemann-Gesellschaft trauert um einen Menschen, der seinen Visionen treu geblieben ist. Unsere Gedanken sind bei seinen Kindern und allen, für die er Freund und Begleiter war.

 

 

Eingabe der Initiative Frieden und Menschenrechte an den XI. Parteitag der SED, Seite 1. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/KE 02
Diskussionsgrundlage zur Erarbeitung eines allgemeinen Konsens für eine nichtstaatliche und blockübergreifende Friedensbewegung, Seite 1. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/TH 01/02
Uwe Bastian: Was sollen die Betriebsräte, o. D., Manuskript. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/MJ 28