Wolfgang Janisch (1940-2023)

Bildquelle: Robert-Havemann-Gesellschaft e. V.

„Ein Glas voll bunter Scherben“ überschrieb Wolfgang Janisch sein autobiografisches Manuskript, das er zusammen mit einem bedeutenden Teil seines künstlerischen Werkes im Jahr 2023 dem Archiv der DDR-Opposition übergab. Er sah sich selbst als eine von den vielen bunten Scherben, die schließlich ein Ganzes bilden und stellte sich am Ende seines Lebens die Frage nach seinem Platz in diesem Ganzen.

Wolfgang Janisch wurde 1940 in Berlin geboren. Nach dem Abitur im Jahr 1959 wurde er wegen Ablehnung des zweijährigen Freiwilligendienstes bei der NVA nicht zum Studium zugelassen. Er machte eine Lehre als Schriftsetzer in einer kleinen privaten Druckerei in Strausberg und arbeitete danach zunächst in diesem Beruf. 1963 erhielt er eine Anstellung als Buchgestalter im Dietz-Verlag und eignete sich die notwendigen Fähigkeiten autodidaktisch an. 1972 wechselte er zum Verlag „Junge Welt“. 1974 wurde er zum Reservistendienst in der NVA gezogen und arbeitete danach ab 1975 im Verlag Volk und Welt als Gebrauchsgrafiker. 1977 begann er, Fotomontagen zur Umwelt- und Friedensproblematik zu gestalten. Bereits zwei Jahre später konnte er in einer Ausstellung, vermittelt durch den Kunstdienst der Evangelischen Kirche, seine Plakate und Fotomontagen in der Schlosskirche in Cottbus zeigen. Im gleichen Jahr scheiterte sein Versuch, in den Künstlerverband der DDR aufgenommen zu werden. 1983 beendete er seine Tätigkeit beim Verlag Volk und Welt und arbeitete fortan freiberuflich als Gebrauchsgrafiker. Er engagierte sich in der unabhängigen Friedensbewegung. In über 100 Ausstellungen in verschiedenen Kirchen auf dem Gebiet der DDR wurden seine Werke gezeigt. Auch im Ausland konnten Ausstellungen realisiert werden. Kuriere brachten dazu seine Arbeiten illegal außer Landes. Sein politisches und künstlerisches Engagement hatte die permanente Überwachung durch das Ministerium für Staatssicherheit zur Folge.

Nach dem Ende der DDR bekam er die Möglichkeit, auch außerhalb des kirchlichen Raumes auszustellen. Ein bestimmendes Thema seines künstlerischen Schaffens wurde nun die Vergangenheitsbewältigung. Seit den 1990er Jahren war er Mitglied in der Berliner Gruppe „Zum Frieden beisteuern“ und verweigerte u.a. den Anteil seiner Steuern, der in Rüstungsprojekte fließt, aus Gewissensgründen.

Der Kompass bei seiner Suche nach seinem Platz in der Gesellschaft sei stets nur sein Gewissen gewesen, formulierte Wolfgang Janisch am Ende seines Lebens. Geprägt von den Ereignissen der letzten Kriegsjahre und der Nachkriegszeit wies er immer wieder auf die Gefahren diktatorischer Strukturen und die zunehmende Militarisierung der DDR-Gesellschaft hin und fand in der Kunst die Möglichkeit seinen Protest auszudrücken. Umwelt, Frieden, Abrüstung und die Überwindung politischer und gesellschaftlicher Grenzen waren Themen, die in seinen Fotos, Fotocollagen, seinen Bildern und Objekten auf immer neue Weise zu finden sind. 

Wolfgang Janisch liebte die Natur. Er ließ sich von ihren Formen und Strukturen inspirieren, nahm sie auf und setzte sie künstlerisch um. Natürliche Materialien wie Ton, Holz und Stein faszinierten ihn. Er empfand, dass „Die Schönheit […] oft im Einfachen“ zu finden sei.

Er war kein Mensch, der in der ersten Reihe lautstark gegen die kommunistische Diktatur protestierte. Sein Widerstand war leise. So ließ er bei seinen zahlreichen U-Bahnfahrten im OstBerlin der 1980er Jahre seine selbst hergestellten Protestpostkarten liegen. Diese verteilten sich auf diese Weise in der ganzen Stadt als sichtbare Zeichen gegen die Aufrüstungspolitik oder die zunehmende Umweltverstörung in der DDR.

Wolfgang Janisch starb am 18.12.2023. Beigesetzt wird er auf dem Waldfriedhof Mühlenbeck, inmitten der Natur, die ihn ein Leben lang künstlerisch inspiriert hat.

Die Robert-Havemann-Gesellschaft trauert um ihn und ist in Gedanken bei seiner Familie und seinen Freunden.

Protestpostkarten

Wolfgang Janisch ließ in den 1980er Jahren Protestpostkarten in der U-Bahn in Ost-Berlin der 1980er Jahre bewusst seine selbst hergestellten Protestpostkarten liegen. Diese verteilten sich auf diese Weise in der ganzen Stadt als sichtbare Zeichen gegen die Aufrüstungspolitik oder die zunehmende Umweltverstörung in der DDR.

Protestpostkarte. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Protestpostkarte. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Protestpostkarte. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Protestpostkarte. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft