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Zum Tode des ungarischen Bürgerrechtlers László Rajk

Am 11. September 2019 erlag László Rajk, Architekt, Designer und Politiker einer kurzen, schweren Krankheit, die er mit übermenschlicher Würde akzeptierte. Er war einer der wenigen mutigen und ehrlichen Menschen im Land.

Er starb mit 70 Jahren, fast genau 70 Jahre nach Beginn des Schauprozesses gegen seinen Vater László Rajk, der am 15. Oktober 1949 als eines der bekanntesten Opfer stalinistischer Schauprozesse in Budapest hingerichtet wurde. Seit seiner Geburt wurde Rajk von allen Regimen verfolgt. Kaum sechs Monate alt war er alt, als das Rákosi-Regime seine Eltern verhaftete. Jahre verbrachte er unter falschem Namen in staatlicher Obhut. Erst 1954 lernte er seine Mutter kennen, die nach fünfjähriger Haft entlassen wurde. Als er sieben Jahre alt war, stand er neben seiner Mutter am Sarg seines nach dem XX. Parteitag der KPdSU rehabilitierten Vaters. Dessen öffentliche Beisetzung war ein Vorläufer der ungarischen Revolution von 1956. Nach deren Niederschlagung durch die Rote Armee im November 1956 wurde Rajk mit seiner Mutter nach Snagov, Rumänien, deportiert, wo sie bis 1958 gefangen gehalten wurden.

Später studierte er Architektur, arbeitete aber nicht nur am Schreibtisch arbeitete, sondern auch selbst als Maurer- und Zimmermann. Als eine wichtige Figur der neo-avantgardistischen Kunstszene im Ungarn der 1970er Jahre war er Bühnengestalter von 40 Theaterproduktionen.

Im Gegensatz zu vielen, die sich der Oppositionsbewegung erst 1988, als das keine großen Risiken mehr mit sich brachten, anschlossen, begann Rajk 1981, den ungarischen Samisdat zu organisieren, zu drucken, und aus seinem Haus heraus zu vertreiben. Er riskierte damit, sowohl seinen Job als auch sein Heim zu verlieren. Er wurde zu einem der wichtigsten, mutigsten, mehrsprachigen, intellektuellen und dennoch plebejischen Mitglied der demokratischen Opposition, der dort Erfahrungen mit Menschen in Not einbrachte. Er sprach auch deren Sprache, hörte ihre Stimme.

Rajk verlor seinen Job, wurde aus seiner Wohnung vertrieben und konnte nur unter falschem Namen Arbeit finden. Da er als Architekt Berufsverbot hatte, wurde er Bühnendesigner, einer der besten der Welt, Preisträger der renommiertesten Festivals. Er entwarf die bekanntesten Museumsinstallationen zur Erinnerung an den Holocaust und an die Revolution von 1956, darunter die ungarische Dauerausstellung im Lager Auschwitz, dem größten der Friedhöfe ungarischer Juden.

Rajk war nicht nur talentiert, sondern auch stark, mutig, standhaft und kompromisslos. Er wurde 1989 Abgeordneter der Freien Demokraten (SzDSz) und war deren einziger Mandatsträger, der 1996 sein Mandat zurückgab, als seine Partei an Korruptionsskandalen beteiligt war –Korruptionsskandale viel geringerer Art als die heute üblichen. Raj übernahm politische Verantwortung, wurde aber nie Berufspolitiker. Er war immer kritisch auch gegenüber seinen politischen Freunden, kritisierte die eigene Partei für seine Schwächen, blieb prinzipienfest und solidarisch gegenüber den Hilflosen, Bedürftigen und Erniedrigten. Getreu dem Motto des Regimewechsel-Plakats: Er konnte, er wagte und er tat, was er tun musste, was Integrität, gesunder Menschenverstand und Menschenwürde von alle erforderten.

Rajk konnte auch unter Orbán nicht als Architekt arbeiten; er stand wie vor 1989 auf der schwarzen Liste. Das Denkmal für die Revolution von 1956, das er für die Stadt Veszprém entwarf, wurde am deren 50. Jahrestag von der FIDESZ-Regierung entfernt.

Rajk war jeden Tag seines Lebens ein freier und selbstbestimmter Mensch; deshalb wollte jedes Regime seine Kreativität blockieren und ihn brechen. Aber Rajk blieb frei in den unermesslichen Raum, den er fühlte, war glücklich ohne Opfer, Protégé oder irgendwem verpflichtet zu sein. Rajk war immer sein eigener Herr, ein Vorbild für alle Menschen mit Selbstachtung in diesem unglücklichen Land.

István Rév

Ungarische Originalversion des Textes unter: http://www.osaarchivum.org/blog/laszlo-rajk-1949-2019
László Rajk auf www.dissidenten.eu