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"Das Archiv als Experimentierfeld"

Projektwoche der Robert-Havemann-Gesellschaft und der Fachhochschule Potsdam im Archiv der DDR-Opposition

Vom 03. bis 07. Juni 2024 führte die Robert-Havemann-Gesellschaft in Kooperation mit dem Studiengang "Archiv" der Fachhochschule Potsdam unter Leitung von Prof. Dr. Susanne Freund sowie dem Fotografen, Künstler und Dozenten Kai Ziegner ein interdisziplinäres Projektseminar im Archiv der DDR-Opposition durch. Unter dem Titel "Das Archiv als Experimentierfeld. Künstlerische Forschung im Archiv der DDR-Opposition" wurde den teilnehmenden Studierenden die Möglichkeit gegeben, das Archiv nicht nur als Ort der historischen Forschung, sondern auch als kreatives und experimentelles Feld zu erleben. Ziel des Seminars war es, den Studierenden detaillierten Kenntnisse über die Arbeitsweise und die Bestände des Archivs zu vermitteln, sie in künstlerisch-forschende Methoden einzuführen und ihnen Raum für die Entwicklung eigener Forschungsfragen zu bieten. Anhand der drei Themenblöcke "DDR-Umweltbewegung", "ostdeutsche Frauenbewegung" und "künstlerischer Samisdat" sowie dazu passenden original Zeugnissen aus dem Archiv der DDR-Opposition erhielten die Studierenden einen detaillierten Einblick in die Lebenswelten sowie Protest- und Artikulationsformen in der kommunistischen Diktatur. Durch den direkten Austausch mit Zeitzeugen erhielten die Studierenden zudem einen persönlichen Zugang zu den Themen und konnten ihre theoretischen Erkenntnisse in selbstgeführten Interviews vertiefen. Die Studierenden konnten sich das Seminar für ihr Studium anrechnen lassen und eine Modulabschlussarbeit anfertigen.

Im Mittelpunkt der künstlerisch-forschenden Auseinandersetzung stand das ergebnisoffene Experimentieren mit dem Archivbestand der RHG. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Projektseminars konnten Aspekte ihrer eigenen Biografien in ihrer Forschungsarbeit einfließen lassen und so Parallelen und Unterschiede zum Leben und Wirken von DDR-Oppositionellen herausarbeiten. Anders als bei klassisch-wissenschaftlichen Seminararbeiten üblich, hatten die Studierenden die Möglichkeit dafür zwischen verschiedenen künstlerisch-wissenschaftlichen Forschungsansätzen zu wählen und die Methodologie für ihre Projektarbeiten im Forschungsprozess selbst oder gemeinsam in Forschungsteams zu entwickeln. Dabei wurden sie durch intensive Mentoringgespräche mit den beiden Seminarleitern unterstützt. Ziel dieses Dialogs war es, den Seminarteilnehmerinnen und Seminarteilnehmern alternative Forschungsstrategien aufzuzeigen und ihnen dabei auch die Freiheit zu gewähren, verschiedenen künstlerischen Praktiken, zum Beispiel Dokumentarfilm, Radiofeature und experimentelles Schreiben selbst zu erproben und für ihre Forschungsarbeit zu erschließen. Als Resultat der künstlerischen Forschung der Studierenden waren neben textbasierten Arbeiten, beispielsweise auch Video-, Audio- oder Fotografieprojekte möglich, die mit bis zu 11 ECTS-Punkten bewertet werden konnten.

Ablauf und Inhalte der Seminarwoche

© RHG / Kai Ziegner

Tag 1 – Montag, 03.06.2024:
Der erste Seminartag begann um 10:00 Uhr mit einer Begrüßung durch die Seminarleiter und einer Einführung in die Themen und Ziele des Seminars. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde wurden die Teilnehmer in das Archiv der DDR-Opposition eingeführt, gefolgt von einer Führung durch die Räumlichkeiten. Am Nachmittag stellte das Team der Robert-Havemann-Gesellschaft drei zentrale Themenkomplexe vor: "DDR-Umweltbewegung", "ostdeutsche Frauenbewegung" und "künstlerischer Samisdat". In einer anschließenden Diskussion wurden diese Themen vertieft und erste Ideen für die Gruppenarbeiten entwickelt.

© Robert-Havemann-Gesellschaft / Sebastian Zilm

Tag 2 – Dienstag, 04.06.2024:
Der zweite Tag stand im Zeichen der theoretischen und praktischen Einführung in die Archivarbeit. Prof. Dr. Susanne Freund und Dr. Kai Ziegner leiteten die Studierenden zunächst in die Grundlagen der Archivarbeit sowie in künstlerische Forschungsmethoden ein. Nach einer Mittagspause wurden den Teilnehmern spezifische Materialien aus den drei Themenkomplexen vorgestellt. In einer anschließenden Arbeitsphase bildeten die Studierenden Gruppen und begannen mit der Recherche zu den eingeladenen Zeitzeugen: Samirah Kenawi, Klaus Ihlau und Karim Saab.

© RHG / Kai Ziegner

Tag 3 – Mittwoch, 05.06.2024:
Am dritten Tag lag der Fokus auf der Oral History und künstlerischen Forschungsstrategien. Prof. Dr. Freund und Dr. Ziegner führten die Studierenden in die Methoden der mündlichen Geschichtsschreibung ein, gefolgt von praktische Quellenarbeit mit historischen Archivmaterialien aus dem Archiv der DDR-Opposition. Der Nachmittag war der Vorbereitung der Zeitzeugengespräche gewidmet. Die Studierenden erarbeiteten in Gruppen Gesprächsleitfäden, die sie in den folgenden Tagen anwenden sollten.

© RHG / Kai Ziegner

Tag 4 – Donnerstag, 06.06.2024:
Der vierte Tag stand ganz im Zeichen der Zeitzeugen. Die Studierenden sollten nun ihre zuvor erworbenen Kenntnisse der Oral History und der historischen Zusammenhänge anwenden und die Durchführung der Interviews auch technische betreuen. Der Tag begann mit einem Vortrag von Klaus Ihlau, der eines seiner Fotofeatures präsentierte. Anschließend führten die Studierenden mittels der zuvor angefertigten Leitfäden nacheinander Gespräche mit den Zeitzeugen Samirah Kenawi, Klaus Ihlau und Karim Saab, die aufgezeichnet wurden. Diese Interviews boten den Studierenden einen direkten Zugang zu den persönlichen Erfahrungen und Perspektiven der Zeitzeugen und vertieften ihr Verständnis der behandelten Themen.

© RHG / Sebastian Zilm

Tag 5 – Freitag, 07.06.2024:
Der letzte Tag des Seminars diente der Auswertung der Erfahrungen und der Diskussion von Forschungsfragen, die sich aus den Gesprächen und der Arbeit mit den Archivmaterialien ergeben hatten. In einer Feedbackrunde teilten die Studierenden ihre Eindrücke und diskutierten mögliche weiterführende Forschungsprojekte, die sie in ihren zukünftigen wissenschaftlichen Arbeiten verfolgen könnten. Abschließend wurde der Ablauf der Sommerpause besprochen, in der die Studierenden ihre Konzepte weiterentwickeln sollten, um diese im Juli bei einer Abschlusspräsentation vorzustellen.

Zeitzeugeninternviews

Samirah Kenawi - Ein Archiv über die unabhängige Frauenbewegung in der DDR

© Robert-Havemann-Gesellschaft

Samirah Kenawi wurde 1962 in Ostberlin geboren. Nach dem Abitur entschied sie sich zunächst für eine handwerkliche Ausbildung zur Tischlerin, bevor sie sich ab 1984 zu einem Studium der Verarbeitungs- und Verfahrenstechnik in Dresden entschloss. Dort trat Kenawi in Kontakt mit der Berliner Gruppe "Lesben in der Kirche", was mit ihrem eigenen Coming-out zusammenfiel. Dies markierte den Beginn ihres Engagements in verschiedenen Frauengruppen. Bereits 1987 gründete sie das "GrauZone-Archiv", eine Sammlung von Materialien über DDR-Frauengruppen in den 1980er und 1990er Jahren, die einen wichtigen Beitrag zur Dokumentation der feministischen Bewegungen in der DDR leistet. Im Jahr 1989 war sie Mitbegründerin der "lila offensive" und nach dem Mauerfall wurde sie noch im Jahr 1990 Mitglied im Unabhängigen Frauenverband (UFV). Aktuell widmet sich Kenawi der Publikation von Schriften zur Geldtheorie.

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Karim Saab - Künstlerischer Samisdat als Protest gegen die Diktatur

© Robert-Havemann-Gesellschaft

Karim Saab wurde 1961 in Heidelberg geboren und zog bereits im Alter von vier Jahren mit seiner Mutter nach Radebeul in die DDR. Seine Ausbildung begann er 1977 mit einer Buchhändlerlehre in Leipzig, gefolgt von einer kurzen Anstellung bei der Musikedition Peters. Nach dieser Phase arbeitete er für einige Zeit im Museum für Völkerkunde, bevor er ein Theologiestudium in Naumburg aufnahm. Anfang der 1980er Jahre engagierte sich Saab in kirchlichen Gruppen der DDR-Oppositionsszene, insbesondere durch die Gründung der Initiativgruppe "Hoffnung Nicaragua". Saabs politisches Engagement führte ihn schließlich zu einer Totalverweigerung des Militärdienstes in der DDR. Ab 1983 veröffentlichte Saab die Zeitschrift "Anschlag" im Samisdat, einer illegalen, unabhängigen Publikation, die sich kritisch mit den Verhältnissen in der DDR auseinandersetzte. Im Mai 1989 reiste er in die Bundesrepublik Deutschland aus, wo er seit 1992 als Journalist in Potsdam tätig ist. 

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Klaus Ihlau - Fotofeature über Umweltzerstörungen in der DDR

© Robert-Havemann-Gesellschaft

Klaus Ihlau, geboren 1940, begann seine berufliche Karriere in der DDR mit einer akademischen Laufbahn. Mit 25 Jahren war er bereits Hochschullehrer für Mathematik und durchlief verschiedene Positionen mit Verwaltungs- und Personalverantwortung in verschiedenen Einrichtungen. Trotz dieser erfolgreichen Karriere entwickelte Ihlau zunehmend den Wunsch, mehr von der Welt zu sehen und über die engen Grenzen der DDR hinaus zu blicken, was ihn ab 1982 freiberuflich als Featureautor zum DDR-Rundfunk brachte. Ihlau recherchierte für seine Reportagen nicht nur theoretisch, sondern begab sich in die Lebenswelt der Menschen, über die er berichtete. So lebte er mehrere Monate zusammen mit den Bewohnern des Dorfes Weissagk, welches 1985 dem Tagebau Jänschwalde zum Opfer fiel.

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Werkstattbericht Projektarbeit zu weiblichen Punks in der DDR

Die Punkband Happy Straps 1985 in der Samariterkirche Ost-Berlin. Quelle: RHG_Fo_NiBe_320_44
Mindmap Generationentheorie. © Janine Schramm

Während die Zeitzeugeninterviews des Seminars gemeinschaftlich von allen Studierenden erarbeitet wurden, widmete sich eine Studentin im Anschluss einem eigenen Forschungsprojekt in dem sie sich mit der Punk-Bewegung in der DDR, mit einem besonderen Fokus auf weibliche Punks, befasste. Ziel des Projekts ist es, die persönlichen Erfahrungen der Studentin, die sich in ihrer Jugend selbst mit der Punk-Bewegung identifizierte, mit den Erlebnissen von Punks in der DDR zu vergleichen und Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede herauszuarbeiten. Das Projekt verfolgte einen künstlerischen Ansatz, bei dem subjektives Erleben und offene Fragestellungen eine zentrale Rolle spielen. In den Rechercheprozess wurden auch Materialien aus dem Archiv der DDR-Opposition einbezogen.

Wortwolke Punk © Janine Schramm

Zentraler Bestandteil des Projekts sind Zeitzeugeninterviews, in denen persönliche Berichte und Perspektiven von ehemaligen Mitgliedern der Punk-Szene gesammelt werden. Die Studentin kombinierte künstlerische Mittel wie autobiografische Fragmente, Mindmaps, Musik und Fotografien, um die Ergebnisse der Forschung darzustellen. Der Forschungsprozesses soll in einem Audio-Feature münden, das die Forschungsergebnisse in einer narrativen und künstlerischen Form präsentiert und welches in Zusammenarbeit mit einem freien Radio produziert und gesendet werden soll. Zum Zeitpunkt dieses Berichtes befindet sich das Projekt noch in der Umsetzung. Die nächsten Schritte umfassten die Durchführung weiterer Interviews, das Verfassen des Skripts, die Auswahl und Integration passender Musik sowie die Produktion des Radio-Features.