Grußadresse der ehemaligen Frauen für den Frieden Ost-Berlin an die belarussischen Frauen

Einige der ehemaligen "Frauen für den Frieden" Ost-Berlin im Jahr 2020 anlässlich eines Fotoprojektes, das an die "Verweigerung in Schwarz" erinnert, bei dem die Frauen im Oktober 1983 Briefe mit ihren persönlichen Wehrdienstverweigerungen abschickten. Von links nach rechts: Jutta Seidel, Ulrike Poppe, Rommy Baumann-Sevim, Bettina Rathenow, Almut Ilsen, Beate Harembski-Hennings. © Lena Rosa Händle

 

Liebe belarussische Frauen,

wir verfolgen Eure Aktionen mit größter Sympathie und Anteilnahme. Wir fühlen uns Euch sehr verbunden. Lasst Euch nicht entmutigen, auch wenn einige von Euch bereits außer Landes gedrängt wurden oder in Haft sitzen.

Wir wenden uns an Euch als die ehemaligen „Frauen für den Frieden“ Ost-Berlin. Wir waren in den 1980er Jahren Teil der Opposition gegen die DDR-Staatsmacht.

Auslöser für unsere Aktivitäten war ein 1982 verabschiedetes Wehrdienstgesetz, das auch Frauen in die Armee zwingen konnte. Damit war unsere Schmerzgrenze überschritten. Wir mussten handeln. Wir haben uns viele Jahre gegen die Militarisierung der DDR-Gesellschaft und für demokratische Grundrechte eingesetzt. Damals ahnten wir nicht, dass es 1989 eine Friedliche Revolution geben und wir sie mit vorbereiten würden. Dass diese Revolution so friedlich verlaufen konnte, erfüllt uns noch heute mit großer Dankbarkeit.

Ihr seid in weit größerem Ausmaß mit Gewalt konfrontiert als wir es damals waren.

Aber auch wenn Lukaschenko noch an der Macht ist und Polizisten, Soldaten und Geheimpolizei noch gehorchen, auch wenn er noch über Gefängnisse und Waffen verfügt, auch wenn er Putin an seiner Seite hat, wird dies Vergangenheit werden. Denn diese Soldaten, Polizisten und Gefängniswärter haben Mütter, Frauen, Schwestern und Töchter.

Wenn wir die Bilder und Videos sehen, auf denen Ihr friedlich als rot-weißes Meer dem gewaltbereiten Schwarz der Sicherheitskräfte gegenübersteht, spüren wir Eure Kraft.

Wir erinnern uns.

Als wir – einige wenige Frauen - gemeinsam Briefe mit unseren persönlichen Wehrdienstverweigerungen auf dem Postamt abschickten, trugen wir schwarze Kleider. Die Geheimpolizei reagierte aggressiv, aber sie wagte es nicht, die untergehakten Frauen gewaltsam zu trennen.

Als einige von uns verhaftet wurden, waren es vor allem die Solidarität und Unterstützung bundesdeutscher und westeuropäischer Politiker und Friedensgruppen, die die Freilassung der Frauen nach sechs Wochen erzwangen.

Wir wünschen Euch, dass Ihr eine ebensolche wirkungsvolle Unterstützung und Hilfe von einer Vielzahl demokratischer Kräfte erhaltet.

Als bei der Wahl im Frühjahr 1989 die Wahlfälschungen von Oppositionellen und kritischen DDR-Bürgerinnen und -Bürgern aufgedeckt wurden, ahnten wir nicht, dass ein Jahr später die ersten freien Wahlen erkämpft sein würden.

Wir wünschen Euch, dass auch in Belarus bald freie Wahlen möglich sind.

Als im Herbst 1989 in der Noch-DDR landesweit Zehntausende ihre Angst überwanden und auf die Straße gingen, kapitulierte die Staatsmacht vor der Übermacht der friedlich Demonstrierenden.

Liebe Frauen und auch Ihr Männer in Belarus - Ihr seid viele, Ihr seid mutig und Ihr seid kreativ. Bleibt mutig und stark für ein demokratisches Belarus!

 

Rommy Baumann-Sevim
Gudrun Birk-Gierke
Ute Delor
Elisabeth Gibbels
Beate Harembski-Henning
Almut Ilsen
Petra König
Tina Krone
Irena Kukutz
Ruth Leiserowitz
Barbe Maria Linke
Gisela Metz
Hannelore Offner
Ulrike Poppe
Bettina Rathenow
Jutta Seidel
Christa Sengespeick-Roos
Elke Westendorff

und die damaligen Unterstützerinnen aus der westeuropäischen Friedensbewegung Barbara Einhorn/END und Eva Quistorp/“Frauen für den Frieden“ West-Berlin

 

Kontakt: info@almut-ilsen.de

 

Обращение бывших участниц оппозиционного женского движения ГДР к женщинам Беларуси (pdf)