Blick auf den Checkpoint Charlie vom Osten in den Westen. Robert-Havemann-Gesellschaft/Bernd Markowsky/RHG_Fo_BeMa_871

Offener Brief: Neugestaltung des Checkpoint Charlie

Der Checkpoint Charlie ist einer der Hotspots für Berlin-Touristen. An wenigen Orten ist der Kalte Krieg so greifbar wie hier. Aber ein richtiges Nutzungskonzept ist nicht zu erkennen. Neben Souvenir-Shops, Imbissbuden und Straßenverkäufern, die Gasmasken und russische Chapkas anbieten, tritt die Vermittlung der Geschichte des ehemaligen Grenzübergangs in den Hintergrund. In einem offenen Beteiligungsverfahren soll nun über die Bebauung des Geländes an der Friedrichstraße entschieden werden. Zwischen Wissenschaft, Gedenkstätten und Aufarbeitungsinitiativen hat sich längst ein Konsens etabliert, mit dem man sich nun an den regierenden Bürgermeister von Berlin wendet. Hier dokumentieren wir den Wortlaut des Offenen Briefs.


Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister,

mit Freude haben wir zur Kenntnis genommen, dass 28 Jahre nach dem Fall der Mauer endlich Bewegung in die Neugestaltung des Geländes am Checkpoint Charlie kommt. Damit werden das planlose Treiben und der unwürdige Zustand an diesem besonderen Geschichtsort hoffentlich bald ein Ende finden – zugunsten eines modern und offen gestalteten Areals, das die Berlinerinnen und Berliner ebenso wie Menschen aus aller Welt anzieht, ihnen eine Ahnung von der Bedeutung dieses Ortes und Kenntnisse über seine Geschichte vermittelt. Hier soll in Ergänzung der anderen Berliner Erinnerungsorte der internationale Aspekt der Mauer und der Ost-West-Auseinandersetzung thematisiert werden. Für das Verständnis vieler, auch aktueller weltpolitischer Entwicklungen ist das Wissen um die Blockkonfrontation in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert von großer Bedeutung.

Wir halten es für höchst wünschenswert, dass nun auf der Grundlage des Beteiligungsverfahrens und der städtebaulichen Workshops zusammen mit dem Investor ein Architekturwettbewerb und darauf aufbauend ein Bebauungsplan für den Eingang in die südliche Friedrichstadt auf den Weg gebracht wird.

Wir lehnen es entschieden ab, dass die Stadt Berlin durch die Wahrnehmung ihres Vorkaufsrechtes die Schulden der gescheiterten Investoren übernimmt. Dies würde dem Berliner Haushalt finanzielle Mittel in dreistelliger Millionenhöhe entziehen – Mittel, die nicht zuletzt für den Wohnungsbau und für soziale Einrichtungen der Stadt wesentlich sinnvoller verwendet werden können.

Wir plädieren für eine baldige Entscheidung auch deswegen, weil Berlin in dem Investor Trockland einen Partner hat, der sich der Bedeutung des Ortes bewusst und dem es ein Anliegen ist, seiner Geschichte gerecht zu werden. Würde er zum Ausstieg gezwungen, bliebe wegen der dann erforderlichen neuen Beschlüsse und Neuplanungen dieser wichtige Ort für mindestens weitere zehn Jahre touristischer Rummelplatz.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Ingeborg Berggreen-Merkel, Marianne Birthler - ehem. Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Prof. Dr. Frank Bösch – Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam, Rainer Eppelmann – Vorstand der Stiftung Aufarbeitung, Prof. Dr. Bernd Greiner – Berliner Kolleg Kalter Krieg, Dr. Hope Harrison – George Washington University, Prof. Dr. Klaus-Dietmar Henke – Beiratsvorsitzender der Stiftung Berliner Mauer, Prof. Dr. Ludolf Herbst – em. Inhaber des Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin, Dr. Hans-Hermann Hertle – Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam, Ralf Hirsch – DDR-Bürgerrechtler, Prof. Dr. Hans Walter Hütter – Präsident der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik, Dr. Konrad Jarausch – University of North Carolina, ehem. Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam, Thomas Jeutner – Gemeindepfarrer an der Kapelle der Versöhnung (Erinnerungsort Bernauer Straße), Burkhard Kieker, Geschäftsführer der Tourismusgesellschaft Visit Berlin, Prof. Dr. Axel Klausmeier – Direktor der Stiftung Gedenkstätte Berliner Mauer, Rainer E. Klemke – Vorsitzender des Vereins „Zentrum Kalter Krieg-Ausstellung am Checkpoint Charlie“, Thomas Krüger – Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Dr. Jürgen Lillteicher – Direktor des Alliierten-Museums in Berlin, Markus Meckel – Außenminister a.D., Dr. Jörg Morré – Direktor des Deutsch-Russischen Museums Karlshorst, Uwe Neumärker – Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Dr. Christian Ostermann – Direktor des Cold War International History Project am Woodrow Wilson International Center for Scholars, Washington, Steffen Reiche – Kulturminister Brandenburg a.D., Prof. Dr. Martin Sabrow – Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam, André Schmitz – Kulturstaatssekretär a.D., Prof. Dr. Waltraud Schreiber – Lehrstuhl für Theorie und Didaktik der Geschichte an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, Nikolaus Sander – ehem. Kulturpolitischer Sprecher der SPD im Abgeordnetenhaus, Dr. Olaf Weißbach – Geschäftsführer der Robert-Havemann-Gesellschaft, Prof. Dr. Hermann Wentker – Leiter der Abteilung Berlin des Instituts für Zeitgeschichte, Prof. Dr. Manfred Wilke – ehem. Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat an der FU Berlin, Dr. Klaus Wittmann – Brigadegeneral a.D

Bereits 1990 war der ehemalige Grenzübergang am Checkpoint Charlie ein beliebtes Motiv für die Fotos der Touristen. ©Robert-Havemann-Gesellschaft/Andreas Kämper/RHG_Fo_AnKae_4031
Direkt nach dem Mauerfall fanden sich rund um den Checkpoint Charlie Verkaufstände mit DDR-Devotionalien. Robert-Havemann-Gesellschaft/Andreas Kämper/RHG_Fo_AnKae_4248