Trotzdem küsse ich deine Nasenspitze

Die künstlerische Arbeit von Patrizia Bach über die unabhängige Frauenbewegung in der DDR hat einen Kunst-am-Bau-Wettbewerb für das Foyer des Elisabeth-Selbert-Hauses gewonnen

© Patrizia Bach

Für das Foyer des sich im Bau befindlichen Elisabeth-Selbert-Hauses in Berlin Unter den Linden hat die Künstlerin Patrizia Bach den Kunst-am-Bau-Wettbewerb mit ihrem Projekt "Trotzdem küsse ich deine Nasenspitze" gewonnen, das sich mit der unabhängigen Frauenbewegung in der DDR auseinandersetzt.

Ausloberin des Wettbewerbes ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Das Elisabeth-Selbert-Haus wird ein neues Bürogebäude für die Verwaltung des Deutschen Bundestages. Die Fertigstellung und Übergabe des Gebäudes an den Deutschen Bundestag ist für 2027 geplant.

Die Arbeit von Patrizia Bach besteht aus zwei Teilen: einer beeindruckenden Wandzeichnung, die sich über die gesamte Wand des Foyers erstreckt, und einer eigens dafür programmierten Onlinepublikation. Letztere ermöglicht es den Betrachter*innen, durch eine KI-Bilderkennung die Geschichten hinter der Zeichnung zu entdecken. Beim Scannen der Wand mit einem mobilen Endgerät erscheinen Archivmaterialien und Zitate aus dem Bestand "GrauZone" aus unserem Archiv der DDR-Opposition. Dafür recherchierte Patrizia Bach intensiv in den Beständen zur unabhängigen Frauenbewegung in der DDR.

Seit Ende der 1970er Jahre formierten sich in der gesamten DDR unterschiedliche Frauen- und Lesbengruppen, die in ihren oft außergewöhnlichen Aktionen – sowohl innerhalb als auch außerhalb der Kirchen, zu Hause und auf der Straße – unermüdlich gegen staatliche Repressionen kämpften und laut für Frieden und Freiheit eintraten. Die Inhalte ihrer Forderungen sind bis heute relevant, und ihre Methoden des Zusammenkommens berühren durch ihre sozialen Ansätze und Ausdrucksweisen, die oft einen direkten Bezug zu ihrem eigenen Leben hatten.

Ein Beispiel für den Mut dieser Frauen ist die Gruppe "Frauen für den Frieden" in Ost-Berlin, die als Reaktion auf das neue Wehrdienstgesetz entstand, das Frauen in die Armee zwingen sollte. Auch die Gründung eines nichtstaatlichen Kinderladens in Berlin- Prenzlauer Berg war eine Antwort auf die militärische Schulerziehung.

Patrizia Bachs Arbeit ist den mutigen Frauen gewidmet, deren Engagement ihr eigenes Leben unumkehrbar veränderte und die oft mit Freiheitsentzug, staatlicher Überwachung und Exil bestraft wurden.

Der Titel der Arbeit ist aus einem Zitat eines Briefes einer der außergewöhnlichen Frauen inspiriert, die wegen ihrer Homosexualität in der DDR psychiatrisch zwangseingewiesen wurden. Auf Schilderungen eines grausamen Alltags und menschenunwürdiger Behandlungen folgt – mit scheinbarer Leichtigkeit:
"Trotzdem küsse ich deine Nasenspitze."
Diese Frau, Marina K., war später aktiv in den Frauengruppen.

Mit der Einbringung dieser Geschichte in das Elisabeth-Selbert-Haus wird an prominenter Stelle einer der vielen marginalisierten Geschichten gedacht.
"Inspiriert von der Geschichte Elisabeth Selberts, interessierte ich mich für die Veränderungen in der Gesetzgebung für Frauen in der DDR nach der deutschen Teilung 1949. In meiner Recherche stieß ich auf die Geschichte der unabhängigen Frauenbewegung in der DDR, die in der Sammlung des Bestands "GrauZone" dokumentiert ist", sagt Patrizia Bach über ihr Projekt.

Die Wandzeichnung, die im Rahmen dieser Recherche entstand, besteht aus 260 einzelnen Zeichnungen, die von Fotografien und Samisdat-Publikationen aus den Beständen unseres Archivs inspiriert sind. Diese Zeichnungen sind bewusst als Details gezeichnet. So erzählt beispielsweise eine Pflanze aus einem Berliner Hinterhof von einer heimlichen Sitzung, während ein abstraktes Muster einer Kirchenverkleidung von der Geschichte des Frauenforums berichtet.

Wir als Archiv freuen uns, dass Patrizia Bach mit ihrer beeindruckenden künstlerischen Arbeit den Wettbewerb gewonnen hat. Dies zeigt, wie vielfältig die Bestände unseres Archivs genutzt werden.  Wir freuen uns auf die Realisierung des Kunstwerkes!

 

 

© Patrizia Bach
© Patrizia Bach
© Patrizia Bach
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