Neu im Archiv der DDR-Opposition: Der Nachlass des oppositionellen Liedermachers Gerulf Pannach

Das Archiv der DDR-Opposition übernimmt den Nachlass des Liedermachers Gerulf Pannach. Nach dem Tod seiner Witwe, Amrei Pannach, im April diesen Jahres, übergaben Freunde des Ehepaars den Nachlass der Robert-Havemann-Gesellschaft. Darin finden sich historisch einzigartige Dokumente, wie handschriftliche Aufzeichnungen aus seinem musikalischen Schaffen, zahlreiche Fotografien aller Lebensphasen Pannachs, aber auch die Instrumente des Musikers. Auch die Schreibmaschine Pannachs ist jetzt Teil des Archivs der DDR-Opposition. Zum Bestand gehören außerdem die Lebensdokumente von Gerulf Pannach und seiner Frau Amrei Pannach. Außerdem Dokumente zum künstlerischen Schaffen Pannachs in der DDR, wie Manuskripte und Noten seiner Lieder und Texte oder ein Protestbrief gegen die Einziehung seines Berufsausweises am 2.9.1974. Zur Übernahme gehören außerdem Teile des Nachlasses von Pannachs Schwiegervater Rolf Recknagel. Der Literaturwissenschaftler machte sich einen Namen bei der Erforschung des Werks des Autors B. Traven und veröffentlichte selbst zahlreiche Bücher.

Das DDR-Oppositionsarchiv übernimmt den Nachlass von Gerulf Pannach und Teile des Nachlasses seines Schwiegervaters Rolf Recknagel, in den Bestand.

Zeitweise verwendete Pannach während seiner Konzerte beschriftete Pappen. Er unterstrich mit ihnen seine Texte – wie hier mit der Pappe „Ruhe!“ zu sehen. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Christian Kunert (l.), Gerulf Pannach (zwt. v. l.) und Jürgen Fuchs (r.) nach ihrer Ausbürgerung im August 1977 mit Wolfgang Biermann in West-Berlin. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Johanna Elbauer/RHG_Fo_HAB_17672
Gemeinsame Erklärung von Pannach, Fuchs und Kunert zu ihrer Abschiebung in den Westen. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/RHG_Fo_HAB_14886
Gerulf Pannach bei einem Konzert im Quasimodo in Berlin-Charlottenburg. Nach ihrer Ausbürgerung treten er und Christian Kunert als Duo auch im Westen auf. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Bernd Markowsky/RHG_Fo_BeMa_281
Auf einem gemeinsamen Konzert mit anderen Liedermachern, die aus der DDR ausgewiesen worden oder ausgereist waren, tritt Pannach Anfang Dezember 1989 im Haus der jungen Talente auf. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Nikolaus Becker/RHG_Fo_NiBe_454_37

Gerulf Pannach

Der oppositionelle Liedermacher wurde am 24. Juni 1948 in Arnsdorf geboren.

Zu Beginn der 1960er Jahre gehörte er der DDR-weiten Singebewegung an, die mehr und mehr von der DDR-Jugendorganisation FDJ vereinnahmt wurde. 1969 schloss er sich der systemkritischen Band „Klaus Renft Combo“ als Texter an.

Ab 1973 gingen Renft und Pannach getrennte Wege, wohl um einen Konflikt mit der Staatsmacht zu vermeiden. Auf Grund seiner kritischen Lieder und seiner Verbindungen zum oppositionellen Liedermacher Wolf Biermann geriet Pannach schon früh ins Visier der Staatssicherheit.

Nachdem Pannach zuvor bereits mehrfach mit Auftrittsverboten belegt worden war, wurde im März 1974 ein absolutes Spielverbot gegen ihn verhängt. Daraufhin solidarisierte sich Renft offen mit ihm und ließ Pannach illegal in den Pausen zwischen ihren eigenen Liedern auftreten.

Am 21. November 1976 wurde Pannach wegen seiner Unterzeichnung der Protesterklärung gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns verhaftet. Zusammen mit dem Renft-Mitglied Christian Kunert und dem Schriftsteller Jürgen Fuchs wurde er in das zentrale Untersuchungsgefängnis der Staatssicherheit in Berlin-Hohenschönhausen gebracht. Nach neun Monaten Haft wurden die drei Oppositionellen am 26. August 1977 unfreiwillig ausgebürgert und nach West-Berlin ausgewiesen. Bis 1989 war es ihnen nicht gestattet in die DDR einzureisen.

In Westdeutschland trat er gemeinsam mit Christian Kunert auf, allerdings vor deutlich geringerem Publikum als mit „Renft“.

Erst nach dem Mauerfall durfte Gerulf Pannach wieder in die DDR einreisen. Am 2. Dezember 1989 trat er gemeinsam mit anderen ausgewiesenen DDR-Künstlern im Haus der jungen Talente auf.

Am 3. Mai 1998 erlag Pannach in Berlin einem Krebsleiden.

Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Bernd Markowsky/RHG_Fo_BeMa_355

Rolf Recknagel

Der Schwiegervater von Gerulf Pannach wurde am 2. Februar 1918 in Steinbach-Hallenberg geboren. Er arbeitete als Schriftsteller und Literaturwissenschaftler und war ab 1954 Dozent für ausländische Literatur der Gegenwart an der Fachhochschule für Bibliothekare in Leipzig tätig.

Bekannt wurde er durch seine Feststellung, dass es sich bei den Schriftstellern „Ret Marut“ und B. Traven um dieselbe Person handelte. Weiterhin veröffentlichte er Biografien über Traven, Jack London und Oskar Maria Graf.

Im Jahr 1970 wurde Recknagel mit dem Heinrich-Heine-Preis und 1977 mit dem Kunstpreis der Stadt Leipzig ausgezeichnet.

Er verstarb am 5. April 2006 in Leipzig.