Ein deutsch-deutsches Leben. Zum Tod von Wilhelm Knabe

Wilhelm Knabe besuchte im Jahr 2010 die Open-Air-Ausstellung der Robert-Havemann-Gesellschaft zur Friedlichen Revolution auf dem Berliner Alexanderplatz. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Frank Ebert

Am vergangenen Wochenende erreichte uns eine überaus traurige Nachricht. Unser langjähriger Freund und Unterstützer Wilhelm Knabe ist von uns gegangen. Wilhelm Knabe war einer der wichtigsten Unterstützer der Oppositionsgruppen in der DDR. Besonders sein mutiges und pragmatisches Engagement für die Berliner Umwelt-Bibliothek wird uns immer in Erinnerung bleiben.

Wilhelm Knabe und seine Familie hatten die DDR 1959 verlassen, nachdem Knabe zum Reservistendienst eingezogen werden sollte. Der überzeugte Christ lehnte den Wehrdienst jedoch auf Grund seiner pazifistischen Gesinnung und seiner Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg ab. Es waren auch die Geschichten aus dieser Zeit, die er oft warnend erzählte. Diese Erlebnisse haben ihn für sein Leben geprägt.

Außerdem erhoffte sich der damalige Nachwuchsforscher in der Bundesrepublik eine Karriere in der Wissenschaft, die ihm in der DDR wegen seiner unangepassten Einstellung verwehrt bleiben sollte.

Anfang der 1980er Jahre beschäftigte das Waldsterben Menschen in Ost und West. In beiden Teilen Deutschlands gründeten sich Gruppen, die sich gegen die Zerstörung der Umwelt engagierten. Der studierte Forstwirtschaftler Knabe, für den die Natur im Mittelpunkt seines Handelns stand, engagierte sich in verschiedenen Umweltgruppen der Bundesrepublik und gründete in den Jahren 1979/1980 zusammen mit anderen die Partei Die Grünen, deren Bundessprecher er 1982 bis 1984 war. Ab 1987 war er für Die Grünen Mitglied des Deutschen Bundestages. 1983 besuchte er mit einer Delegation der Grünen die DDR, um über die deutsch-deutschen Umweltprobleme zu sprechen. Wilhelm Knabe hatte zunächst versucht, mit dem Fahrrad einzureisen. Das wurde ihm aber unter Hinweis auf fehlende gesetzliche Regelungen verwehrt und er wurde stattdessen mit einem Fahrzeug des Ministerrates abgeholt. Knabe, diesen Vorfall nicht vergessend, versuchte es Jahre später erneut mit dem Fahrrad. Er diskutierte solange mit den Grenzsoldaten, bis sie ihm und seinem Fahrrad die Einreise gestatten, obwohl es immer noch keine Regelung gab. Passenderweise betitelte ihn die Staatssicherheit während der Observationen seiner Person mit dem Decknamen „Fahrrad“. 

Mit dem Fahrrad über die Grenze. Offensichtlich war es für die Staatssicherheit wichtig, selbst das festzuhalten. Quelle: BStU

Als Bundestagsabgeordneter genoss Wilhelm Knabe eine besondere Immunität bei der Einreise in die DDR. Das gab ihm die Möglichkeit, die Oppositionsgruppen in der DDR ganz praktisch und materiell zu unterstützen. Knabe half besonders der Berliner Umwelt-Bibliothek, für die er u. a. eine Druckmaschine nach Ost-Berlin schmuggelte, die die Oppositionellen für den Druck ihrer verschiedenen Samisdat-Publikationen benötigten.

Auch nach dem Mauerfall blieb Wilhelm Knabe seinen Freunden aus der Umwelt-Bibliothek verbunden. Er unterstützte seit der Gründung das Archiv der DDR-Opposition und blieb bis zuletzt mit ihm und der Robert-Havemann-Gesellschaft verbunden. Seine Besuche in Berlin nutzte er immer auch für Treffen, um sich bei ausgedehnten Spaziergängen auf dem Laufenden zu halten. 2009 besuchte er die Eröffnung der Open-Air-Ausstellung zur Friedlichen Revolution auf dem Alexanderplatz in Berlin (Bild).

Es gäbe noch sehr viel über sein fast einhundertjähriges Leben zu erzählen und das hat er selbst getan. 2019 erschienen seine „Erinnerungen – Ein deutsch-deutsches Leben“ im Dr. Krosse-Verlag.

Wilhelm Knabe starb am 30. Januar 2021 mit 97 Jahren an den Folgen einer COVID-19-Erkrankung.

Wilhelm Knabe im Oktober 1987 mit den Gründern der Berliner Umwelt-Bibliothek Wolfgang Rüddenklau und Carlo Jordan.
Quelle: BStU

"Das ist eine Notwehr des Planeten gegen Überlastung", Interview mit Wilhelm Knabe für den Deutschlandfunk aus dem Juni 2020. Abgerufen am: 5. Februar 2021.