Gerd Poppe (1941-2025)

© Robert-Havemann-Gesellschaft / Dirk Vogel

Gerd Poppe gilt als einer der Vordenker der politischen Opposition in der DDR und war eine der prägenden Persönlichkeiten der subkulturellen Szene Ost-Berlins. Die Konsequenz, mit der er für seine Ideen und Ideale eintrat und seine analytischen Fähigkeiten machten ihn in den 1970er und 1980er Jahren zu einer der einflussreichsten Protagonisten der Friedens- und Menschenrechtsbewegung in der DDR. Mit Bestürzung und tiefer Trauer hat die Robert-Havemann-Gesellschaft von seinem Tod am 29.03.2025 erfahren.

Gerd Poppe wurde am 25. März 1941 in Rostock geboren. Nach dem Abitur studierte er von 1959 bis 1964 Physik an der Universität seiner Heimatstadt und arbeitete nach seinem Abschluss als Diplom-Physiker bis 1976 im Halbleiterwerk Stahnsdorf (bei Berlin). Inspiriert und motiviert von den westeuropäischen Studentenprotesten des Jahres 1968 und insbesondere von den Ereignissen in der Tschechoslowakei begann Gerd Poppe, sich in oppositionellen Gruppen zu engagieren. Die Niederschlagung des Prager Frühlings veranlasste ihn zu offenem Widerstand. Die Verbindung zwischen politischem Protest und kultureller Opposition wurde ihm sehr wichtig. Er freundete sich mit dem Regimekritiker Robert Havemann und dem Liedermacher Wolf Biermann an und knüpfte Kontakte zu dem westdeutschen Studentenführer Rudi Dutschke.

1975 verweigerte Gerd Poppe den Wehrdienst mit der Waffe und ging für sechs Monate zu den Bausoldaten der NVA. Gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns im November 1976 protestierte er mit einem Schreiben an Erich Honecker. Daraufhin wurde ihm eine fest zugesagte Anstellung an der Akademie der Wissenschaften verweigert und ein faktisches Berufsverbot verhängt. Aus diesem Grund arbeitete er von 1977 bis 1984 als Maschinist in einer Berliner Schwimmhalle.

Ab Ende der 1970er Jahre begann Gerd Poppe Kontakte nach Ostmitteleuropa aufzubauen, so zu Mitgliedern der Charta 77 in der ČSSR oder der ungarischen Opposition. Gleichzeitig verstärkte der DDR-Staat die Repressionen gegen ihn und seine Familie, was seine Politisierung jedoch nur verstärkte. Seine Erfahrungen und seine Anschauungen verschränkten sich dabei mit denen der osteuropäischen Opposition und der westlichen Friedensbewegung. Zu beiden intensivierte er seine Kontakte trotz eines totalen Reiseverbots, das die DDR-Führung ab 1980 gegen ihn verhängte. Er organisierte Lesungen kritischer und/oder verbotener Schriftsteller*innen in seiner Wohnung. Zusammen mit seiner Frau Ulrike eröffnete er 1981 einen freien Kinderladen im Ost-Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Der wurde Ende 1983 zerstört und seine Wiedererrichtung verboten.

1984 erhielt er eine Anstellung als Ingenieur im Baubüro des Diakonischen Werkes, die er bis 1989 innehatte. Mitte der 1980er Jahre rückte die Menschenrechtsproblematik zunehmend in den Fokus der DDR-Opposition. In Anlehnung an die Arbeit der Charta 77 bildete sich 1985 die Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM) in der DDR, zu deren Mitbegründern Gerd Poppe zählte. Zwischen 1986 und 1989 war er Mitverfasser und Unterzeichner einer ganzen Reihe von Offenen Briefen und Aufrufen sowie Mitherausgeber und Autor mehrerer illegaler Samizdat-Publikationen wie „Grenzfall“, „Spuren“ oder „Ostkreuz“. Während der Friedlichen Revolution vertrat er die IFM am Zentralen Runden Tisch. Dort war er vor allem als Mitglied der Arbeitsgruppe „Neue Verfassung für die DDR“ tätig. In der Regierung Modrow erhielt er zwischen Februar und April 1990 den Posten eines Ministers ohne Geschäftsbereich. Ab März 1990 saß Gerd Poppe als Abgeordneter von Bündnis 90 in der ersten frei gewählten Volkskammer und nach der Wiedervereinigung im Deutschen Bundestag. Er gehörte zu den Befürwortern der Parteibildung und der späteren Fusion mit der Partei Die Grünen. Bis 1998 saß er als Abgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag und war Obmann in den Enquete-Kommissionen des Bundestages, die sich mit Aufarbeitung und Überwindung der Folgen der SED-Diktatur beschäftigten. 1998 entschied er sich, nicht wieder für den Bundestag zu kandidieren. Er wurde Beauftragter für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt. Diesen Posten bekleidete er bis 2003, um anschließend noch zwei Jahre der Heinrich-Böll-Stiftung als Berater für Demokratieprojekte in Russland und im südlichen Kaukasus zur Seite zu stehen.

Gerd Poppe hinterlässt eine schmerzliche Lücke. Die Robert-Havemann-Gesellschaft wird seinen Einsatz für Demokratie und Menschenrechte in einem freien Europa weiterhin als Vorbild für ihren eigenen Auftrag betrachten.

Unsere Gedanken sind bei Gerd Poppes Familie und allen, die ihm nahestehen.