© Privat

Ulrich Fischer (11. Dezember 1942 bis 12. Juli 2020)

Genannt wurde er immer nur Uli. Das gehört sich so für einen echten 68er – also keinen derer, die nur eine Zeit lang mit der Rebellion flirteten und sich dann im „bürgerlichen“ Leben niederließen. Uli Fischer setzte sich ein Leben lang aktiv für Gerechtigkeit und Freiheit ein. Sein Thema als Politologe waren die Menschenrechte.

So lernten wir – die Opposition in der DDR - ihn auch kennen: als Sympathisanten und vor allem als aktiven Helfer. Er transportierte Zeitschriften und Geräte, Druckerfarbe und Wachsmatrizen, Tonbänder und Bücher, schon für Wolf Biermann vor dessen Ausbürgerung, später für die „Frauen für den Frieden“ oder die „Initiative Frieden und Menschenrechte“.

Bei diesen Einsätzen half ihm zwei Jahre lang sein Status als Bundestagsabgeordneter der Grünen (1986-1987). In dieser ersten Legislaturperiode der neuen Partei galt die Rotation – jede und jeder Abgeordnete musste nach zwei Jahren sein Mandat niederlegen und an einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin abgeben. Uli Fischer war 1983 Mitglied der Grünen geworden und als sogenannter Nachrücker auch sofort wissenschaftlicher Mitarbeiter in der grünen Bundestagsfraktion (1983-1985), bevor sein Mandat begann.

Die große Zeit der Friedensbewegung gegen die „Nachrüstung“ war schon vorbei, und damit auch die Unterstützung, die sich die SED zuvor noch von den Grünen als Teil dieser Bewegung erhofft hatte. Jetzt gehörten die Grünen mit ihrem Konzept der „blockübergreifenden Friedensbewegung“ für die SED zu den Feinden, so wie ihre Freunde in der DDR. Viele Mitglieder der Grünen durften nicht mehr in die DDR einreisen, manchmal nicht einmal Bundestagsabgeordnete. Wenn aber doch, durften sie nicht kontrolliert werden. Das nutzten die wenigen Unterstützer und Unterstützerinnen, die diesen privilegierten Status hatten, aus. Uli ging darüber hinaus – er schmuggelte schon lange, hatte also viel Erfahrung damit und ließ sich auch bei Kontrollen nicht erwischen.

Seine revolutionäre Vergangenheit hatte Uli damals längst hinter sich. Als Mitglied des SDS und stellvertretender Vorsitzender des AStA der Freien Universität in Westberlin hatte er um 1970 zum harten Kern der Studentenbewegung gehört. Das brachte ihm die Aufmerksamkeit des Verfassungsschutzes und ein Jahr Gefängnis in Moabit ein. Aber anders als die erwähnten Kurzzeit-Rebellen, die sich weiter radikalisierenden K-Gruppen-Aktivisten oder diejenigen, die in den Terrorismus abdrifteten, machte sich Uli auf seinen eigenen „Marsch durch die Institutionen“.

Nach dem harten Jahr im Gefängnis trieb es ihn auf ausgedehnte Reisen durch die Welt. Er lernte Länder und Menschen kennen und erfuhr, wie die Welt wirklich ist, jenseits aller Theorien und Ideologien. Diese Erfahrungen halfen ihm, sich fortan unermüdlich, mit klarem Kompass und ohne jeden Karriere-Ehrgeiz für die Menschenrechte einzusetzen.

Dieses Engagement brachte ihn zu den Grünen. Auch dort stritt er sich mit alten und neuen „Linken“, denen der „reale Sozialismus“ näher war als die Menschenrechte – so beispielsweise in der Debatte um die Rolle der Menschenrechte in der DDR, die 1986  in der Frankfurter Zeitschrift „Kommune“ ausgetragen wurde und an dem sich auch DDR-Oppositionelle beteiligten. Er kannte sich buchstäblich in aller Welt aus, aber sein besonderes Spezialgebiet war Afghanistan, lange bevor dieses Land Anfang des 21. Jahrhunderts in den Blickpunkt der Aufmerksamkeit geriet. Auch die Länder diesseits des Eisernen Vorhangs blieben jedoch immer ein Schwerpunkt seines Interesses.

Folgerichtig trat Uli gleich 1990, als Westdeutscher, dem Bündnis 90 bei. So gesehen war er ein Pionier der Fusion beider Parteien drei Jahre später. Als die Bundestagsgruppe Bündnis 90/ Die Grünen 1991 in den Bundestag einzog, war Uli als Referent für Menschenrechte wieder dabei. Er blieb dies bis 2003.

In den letzten Jahren seines Lebens fiel es ihm gesundheitlich zunehmend schwerer, seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Reisen, zu frönen. Auch der frühe Tod seiner Frau machte ihm zu schaffen. Sein Tod war immerhin schnell und schmerzlos.

Seine vielen älteren und jüngeren Weggefährten trauern um einen Freund, der wie wenige geradlinig, integer, konsequent und treu war, als Politiker und als Mensch.

 

Reinhard Weißhuhn