Bärbel Bohley


Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
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Bärbel Bohley am 8. November 1989. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Olaf Opitz/RHG_Fo_OOp_0005

Bärbel Bohley am 8. November 1989. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Olaf Opitz/RHG_Fo_OOp_0005

Eine kurze Biographie von Bärbel Bohley

Bärbel Bohley (geb. Brosius) wurde am 24. Mai 1945 in Berlin geboren. Nach ihrem Abitur im Jahre 1963 schloss sie eine Ausbildung als Industriekauffrau ab und war anschließend als Lehrausbilderin tätig. Von 1969 bis 1974 studierte sie an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und erwarb dort ein Diplom in Malerei und Grafik. Ab 1974 arbeitete Bohley als freischaffende Künstlerin und wurde 1979 in die Sektionsleitung ‚Malerei‘ und den Bezirksvorstand des Verbandes Bildender Künstler (VBK) gewählt.

Zunehmend setzte sie sich für Bürger- und Menschenrechte in der DDR ein. „Wenn ich nur hätte malen wollen“ – so erzählte sie im August 1988 dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel – „wäre ich mit 30 aus der DDR weggegangen. Aber mein Leben ist halt nicht nur Malerei.“

Im Jahre 1982 war sie gemeinsam mit Katja Havemann, Ulrike Poppe und Irina Kukutz Gründungsinitiatorin des unabhängigen Netzwerks „Frauen für den Frieden“, hielt Kontakte zu Mitgliedern der internationalen und bundesdeutschen Friedensbewegung und wurde daraufhin 1983 aus dem Bezirksverband des Verbandes Bildender Künstler ausgeschlossen. Gemeinsam mit Ulrike Poppe kam sie wegen des „Verdachts auf landesverräterischer Nachrichtenübermittlung“ im MfS-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen in Untersuchungshaft. Nach internationalen Protesten wurde sie entlassen, erhielt jedoch ein Auslandsreiseverbot und durfte ihre Kunstwerke nicht mehr öffentlich ausstellen. Zudem blieben ihr staatliche Aufträge verwehrt.

In der Folge setzte sich Bohley verstärkt für die Durchsetzung grundlegender Menschenrechte wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit ein. Gemeinsam mit Peter Grimm, Lotte und Wolfgang Templin, Ralf Hirsch, Gerd und Ulrike Poppe, sowie Werner Fischer, Reinhard Weißhuhn und anderen gründete sie im Jahre 1986 die „Initiative Frieden und Menschenrechte“, deren zentrale Forderungen die Demokratisierung der DDR und die Herstellung von Rechtstaatlichkeit waren. Nach einer Protestaktion bei der jährlich stattfindenden Rosa Luxemburg- und Karl Liebknecht-Demonstration wurde Bohley im Januar 1988 vom Staatssicherheitsdienst verhaftet und aus der DDR nach England ausgewiesen. Ein halbes Jahr später kehrte sie wieder nach Ost-Berlin zurück und antwortete auf eine Interviewfrage des Spiegel, warum es sie wieder in die eingemauerte DDR ziehe: „Ich will unbedingt zurück, ich bin ja auch nicht freiwillig weggegangen.“

Anfang September 1989 war Bärbel Bohley eine der Initiatoren der Bürgerrechtsbewegung „Neues Forum“ und Erstunterzeichnerin des Gründungsaufrufes „Aufbruch 89“. Das Neue Forum wollte als politische Plattform einen „demokratischen Dialog“ in Gang setzen und rief die DDR-Bürger auf, sich an der Umgestaltung zu beteiligen. Die Staats- und Parteiführung wertete das Dialogangebot als verfassungs- und staatsfeindlichen Akt und versagte dem Neuen Forum zunächst auch die Zulassung. Nach den immer größer werdenden Demonstrationen wurde das Neue Forum schließlich am 8. November 1989 - einen Tag vor dem Mauerfall – als politische Vereinigung anerkannt. Die Wohnung von Bärbel Bohley in Berlin-Prenzlauer Berg wurde in der Folge zum Kontenpunkt der sich formierenden Sammlungsbewegung Neues Forum, dessen Arbeitsausschuss sie seit Januar 1990 angehörte. Von Mai bis Dezember 1990 war sie Mitglied in der Ost-Berliner Stadtverordnetenversammlung. Unter der Parole „Meine Akte gehört mir“ besetzte sie mit anderen Bürgerrechtlern Anfang September 1990 das Gebäude des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit in der Berliner Normannenstraße. Mit  einem gemeinsamen Hungerstreik wollten die Aktivisten auf die Notwendigkeit einer Öffnung der Stasi-Akten aufmerksam machen, sowohl für die persönliche Einsichtnahme der Opfer als auch für die historische Aufarbeitung der DDR. Im Jahre 1991 war Bohley Mitarbeiterin der Fraktion Neues Forum/Bürgerbewegung im Berliner Abgeordnetenhaus und entschiedene Gegnerin einer Umwandlung der Sammlungsbewegung Bündnis 90 in eine Partei. 1994 wurde sie als Spitzenkandidatin des Neuen Forums für die Europawahl nominiert und war 1996 Gründungsvorsitzende und bis 2009 Mitglied des Bürgerbüros zur Aufarbeitung von Folgen der SED-Diktatur.

 Für ihren Beitrag zur Revolution in der DDR und die deutsche Vereinigung wurde sie 1994 mit dem Bundesverdienstkreuz und im Jahre 2000 mit dem Nationalpreis ausgezeichnet. Von 1996 bis 1999 war Bohley EU-Beauftragte in Sarajewo für die Rückkehr von Flüchtlingen und den Wiederaufbau für die im Bosnienkrieg zerstörten Häuser. Sie lebte von 1999 bis 2008 im kroatischen Celina und amtierte dort ab 2000 als Bürgermeisterin. Krankheitsbedingt kam sie im Jahr 2008 zurück nach Berlin und verstarb am 11. September 2010 in Strasburg im Landkreis Uecker-Randow.


Nachruf der Robert-Havemann-Gesellschaft zum Tod von Bärbel Bohley, 11.09.2010

„Bärbel la rebelle" Unter dieser Überschrift berichtete eine französische Zeitschrift mit dem Namen „Espoir", was Hoffnung heißt, im Oktober 1989 über die Ereignisse in der DDR. Bärbel, die Rebellin, ging voran, wo andere sich fürchteten, war eine Wegbereiterin und Hoffnungsträgerin. Sie war mitreißend und man folgte ihr, war eine Anstifterin und provozierte gern.

Sie hatte große Erwartungen, die manch einer nicht erfüllen konnte oder wollte, war unerbittlich auch gegen sich selbst. Bärbel Bohley war unbequem, manchmal unmöglich. Sie hat ganz wesentlich dazu beitragen, dass Unmögliches möglich wurde.

Genau so werden wir sie in unserer Erinnerung behalten. Gerade ihr Name stand im Herbst 1989 für die Hoffnung auf Veränderung. Journalisten aus aller Welt gaben sich bei der Gründerin des Neuen Forums die Klinke in die Hand. Von überall her erreichten sie Berge von Briefen. Ihre Wohnung in Berlin-Prenzlauer Berg wurde ein Zentrum der Revolution von 1989/90.

Ein Aushängeschild wollte sie nie sein, nicht „Symbolfigur politischer Untergrundtätigkeit", zu der sie in der DDR der 80er Jahre stilisiert worden war, noch „Mutter der Revolution", wie sie in den 90er Jahren in der Medienöffentlichkeit bezeichnet wurde. Einer Vielzahl von Menschen sprach sie 1989 aus dem Herzen und wurde auf einer Welle der Sympathie immer populärer. Anderen nannten ihre öffentlichen Auftritte und Äußerungen politisch naiv und reagierten zunehmend allergisch auf sie. Bärbel Bohley polarisierte allein dadurch, dass sie unangepasst blieb, darauf beharrte, die eigene Meinung ungeschminkt zu vertreten, sich weiter ohne Rücksicht auf politische Lager einzumischen.

Ruhelos in ihrem Engagement war sie auch an der Gründung einer Vielzahl von Vereinen, Stiftungen und Initiativen aktiv beteiligt. Im November 1990 war sie Gründungsmitglied unserer Gesellschaft, die den Namen Robert Havemanns trägt, arbeitete viele Jahre im Vorstand und Beirat des Vereins.

Auch deshalb werden wir uns stets an sie erinnern, vor allem aber werden wir das Andenken an den Menschen Bärbel Bohley, die couragierte Frau und Weggefährtin bewahren. Ihre Stimme, ihr  kritischer Blick und ihr Lachen werden uns fehlen.

Kondolenzbuch der Robert-Havemann-Gesellschaft

Private Internetseite von Bärbel Bohley, die von Irena Kukutz weiter betreut wird.