Praktikumsbericht Antonia Gradnitzer

 

Von Oktober 2014 bis Februar 2015 habe ich im Rahmen meines Master-Studiums der Kulturwissenschaft ein viermonatiges Praktikum in der Robert-Havemann-Gesellschaft e. V. im Bereich Archiv absolviert.
Um mit der Thematik und den Gegebenheiten des Archivs vertraut zu werden, bekam ich zunächst kleinere Aufgaben wie das Einordnen von Zeitschriften und Zeitungen in die jeweiligen Sammlungen oder einfache Rechercheaufgaben. Mit zunehmender Praxis und Einarbeitung in die Thematik wurden die Arbeiten, mit denen ich betraut wurde, anspruchsvoller. Dabei waren es weniger täglich neue Aufgaben als vielmehr mehrere längere Projekte, die je nach Umfang von mir in einem Zeitraum von ein paar Tagen bis zu mehrere Wochen bewerkstelligt wurden. Dies ermöglichte mir eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Feldern der Archivarbeit.
Während des gesamten Praktikums war es möglich jederzeit inhaltliche und praktische Fragen zu stellen und Hintergrundwissen zur Thematik der DDR-Opposition vermittelt zu bekommen. Ich wurde auch motiviert, die Gegenstände meiner Aufgaben meinem eigenen Interesse entsprechend genauer zu betrachten und weitergehend zu recherchieren.
Im Bereich des Fotoarchivs verfasste ich mehrere Texte für die Website. Diese sollten potenziellen Nutzern des Archivs eine bessere Orientierung über Bedeutung und Inhalt von Fotobeständen des Archivs der DDR-Opposition vermitteln. Außerdem wurde ich mit Zuarbeiten zur Aktualisierung der Website jugendopposition.de beauftragt. Für eine interaktive Karte zu konspirativen Wohnungen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), habe ich Dokumente aus Kopien von Akten des MfS neu eingescannt bzw. ausgewählt.
Die wohl umfangreichste Aufgabe, mit der ich während meines Praktikums betraut war, beinhaltete die Neuerfassung und Ordnung der Samisdat-Mehrfachexemplare. Die Robert-Havemann-Gesellschaft verfügt über eine der größten Sammlungen an Samisdat-Ausgaben aus der DDR. Neben einem erschlossenen Bestand sind durch Nachlieferungen und aus verschiedenen Nach- und Vorlässen immer wieder neue Exemplare ins Archiv gekommen, von denen aufgrund ihrer Bedeutung, auch Mehrfachexemplare aufbewahrt werden. Diese habe ich von Plastik und Metall befreit, sie alphabetisch nach Titeln und innerhalb der Titel chronologisch geordnet, eine Liste über die Anzahl der vollständigen und unvollständig vorhandenen Ausgaben erstellt, sie mit dem Findbuch des Bestandes Samisdat abgeglichen, in Archivboxen verpackt, etikettiert und jeder Zeitung einen eindeutigen Standort zugewiesen. Dabei habe ich einen Großteil des DDR-Samisdats kennengelernt, so dass ich nicht nur viel über ihre Herstellungs- und Publikationsbedingungen lernen, sondern sie auch als Zeugnisse von Opposition wahrnehmen konnte.
Anschließend begann die Arbeit mit konkretem Archivgut. Zunächst wurde ich damit betraut noch nicht erschlossenes Schriftgut in einer Vorarbeit zur Erschließung von Metall und Plastik zu befreien und eine Übersicht zu Inhalt, Laufzeit und Standort des vorhandenen Materials zu erstellen. Daraufhin wurde ich mit der Kernarbeit der Archivarinnen, der Erschließung von Archivgut, vertraut gemacht. Zunächst half ich bei der Erschließung von Beständen durch Zuarbeiten, wie dem alphabetischen und chronologischen Ordnen von Korrespondenz und Pressedokumentationen, um anschließend unter Anleitung kleine Teilbereiche selbst zu erschließen.
Im letzten Abschnitt meines Praktikums durfte ich in enger Absprache und Betreuung durch die Archivarinnen selbst einen kleinen Bestand erschließen. Dieses umfasste die Sichtung und Vorbereitung des Archivguts, die Erstellung einer Klassifikation, die Verzeichnung und Verschlagwortung im Archivprogramm Augias sowie die Erstellung eines Findbuches.
Über mein Praktikum in der Robert-Havemann-Gesellschaft e.V. kann ich mich ausnahmslos positiv äußern. Ich habe einen tiefen Einblick in verschiedene Bereiche der Archivarbeit erlangt. Mit zunehmender Erfahrung und inhaltlicher Kompetenz wurden mir auch unter Berücksichtigung meiner eigenen Interessen anspruchsvollere Aufgaben zugeteilt. Dabei wurde ich die gesamte Zeit sehr kompetent und ausführlich betreut. Es herrschte stets ein sehr gutes Arbeitsklima, und ich habe alle Mitarbeiter als freundlich und hilfsbereit kennengelernt. Nicht nur durch die Arbeit selbst, sondern auch durch die Möglichkeiten des Austausches und Nachfragens bei den Mitarbeitern war es mir möglich, sehr viel sowohl über die Thematik der DDR-Opposition zu lernen, als auch praktisches Wissen über die Archivarbeit zu sammeln. Die Entscheidung mich nach meinem Studium beruflich im Arbeitsfeld des Archivs zu orientieren, hat sich durch das Praktikum konkretisiert und gefestigt.