Praktikumsbericht Johannes Mundo


Jugendopposition, die Bürgerstube, Blutige Erdbeeren, AfriCola, Provopoly, Wolfgang Ullmann, Sagorsker Gespräche und vieles mehr...

Zusammenhanglos aneinander gereihte Begriffe? Weit gefehlt! Arbeitsbereiche eines Praktikanten? Schon eher die richtige Richtung! Es geht darüber hinaus. Genau genommen ist es ein Versuch, mit Stichworten über einige Facetten meiner Erlebnisse in der Robert-Havemann-Gesellschaft (RHG) zu berichten in einer, zugegeben, vielleicht etwas unkonventionellen Art. Unkonventionell ist in diesem Falle aber vielleicht gar nicht so falsch, passt es doch – und dies ist ausschließlich positiv zu verstehen – auf die Schliemannstraße 23. Zutreffend sowohl auf Archivmaterialien und den Ort als auch auf die Mitarbeiter.

In einer Selbstdefinition heißt es die „Robert-Havemann-Gesellschaft ist Träger des Archivs der DDR-Opposition. […] Es bildet den größten erschlossenen Archivbestand zur DDR-Opposition und Bürgerbewegung.“ Eine Beschreibung, von dessen Wahrheitsgehalt ich bereits im Eingangsbereich überzeugt wurde. Im Gegensatz zu meinen bisherigen Archiverfahrungen erwartete mich keine mürrische Eingangsdame, sondern eine wahre Informationsflut zu dem Thema Opposition und Widerstand in der DDR. Allein die zur Orientierung gedachte Pressesammlung lädt zum tagelangen „Stöbern“ ein. Da dies jedoch ein Praktikumsbericht ist und keine Beschreibung der Räumlichkeiten, komme ich zurück zu den Anfangs genannten Begriffen:

Jugendopposition beispielsweise ist ein Projekt, an dem ich vom ersten Praktikumstag an in verschiedenen Bereichen mitarbeiten durfte (Prädikat äußerst empfehlenswert unter www.jugendopposition.de). Recherche, Lektorieren, das Verfassen von Texten und zu guter Letzt auch das Führen eines Zeitzeugeninterviews für die Internetseiten waren meine Aufgabenbereiche. Eigenständiges Arbeiten war nicht nur möglich, sondern auch erwünscht – bei gleichzeitiger Möglichkeit, mit Christoph Ochs als kompetentem Projektbeauftragten über Probleme, vor allem aber über die Inhalte und Hintergründe zu reden. Nachfragen, so meine Feststellung, waren nicht nur bei ihm sondern ebenso bei allen Mitarbeitern problemlos und sehr aufschlussreich. Da das Quellenmaterial in der RHG teilweise von den Mitarbeitern stammt und sie somit nicht nur wissen was darin steht, sondern auch die Hintergründe oder Inhalte selbst erlebt haben, sind Fragen oder ein kleiner Meinungsstreit allein von diesem Hintergrund aus betrachtet sehr zu empfehlen. Nicht ohne Grund sind sie eine Anlaufstelle für „Gott und die Welt“ zum Thema DDR- Opposition. Als Praktikant bekommt man so viel mit.

Gute Gelegenheit bietet sich übrigens – ein kleiner Tip am Rande – bei einer Bockwurst von Fiete in der „Bürgerstube“ oder beim „Rockerbäcker“. Allgemeiner gesprochen: beim Mittagessen. Ohne diese bereichernden Gespräche hätte ich beispielsweise nie erfahren, was „Provopoly“ ist. Diese Frage aufzulösen, würde jedoch dem praktisch orientierten Leser die Vorfreude auf die Antwort nehmen – und bleibt daher von meiner Seite aus an dieser Stelle offen…

Aber auch die „normalen“ Zusatzinformationen, im alltäglichen Gespräch aufgeschnappt, sind hervorragend. Das Spektrum reicht hier von Filmempfehlungen („Blutige Erdbeeren“) bis hin zum symbolischen Hintergrund des AfriCola-Zeichens. Letzteres besprach ich nach einer Abendveranstaltung mit einer Mitarbeiterin der Birthler Behörde. Ein Beispiel dafür, dass sich Kontakte nicht zwangsläufig auf die Schliemannstraße beschränken müssen, sondern, bei entsprechendem Interesse, weit darüber hinausgehen können. Eine Tatsache, für die ich im Nachhinein sehr dankbar bin.

Mindestens ebenso aufschlussreich war ein anderes Projekt, an dem ich teilnehmen durfte. Ich half Tina Krone bei der Erschließung des Nachlasses von Wolfgang Ullmann. Vorsortieren verschiedener Sammlungen, Vervollständigung der Bibliotheksliste und die anschließende Aufnahme in die entsprechende Archivdatenbank gehörten zu meinen Aufgaben. Über diese Tätigkeit kam ich nicht nur in Kontakt mit Mitgliedern der Familie, sondern konnte mir vor allem einen umfassenden Einblick in die Vielseitigkeit Wolfgang Ullmanns leisten. Ein meiner Meinung nach bisher in der Wahrnehmung unterschätzter Mann unterrichtete mich mittels seiner Unterlagen zu Themen von den ökumenischen Sagorsker Gesprächen, über die Tätigkeit eines Ministers ohne Geschäftsbereich bis hin zu Etappen der Verfassungsdiskussion im Europäischen Parlament.

Die hier nur anklingende Vielschichtigkeit dieser Aufgaben könnte noch weiter ausgeführt und um andere Projekte ergänzt werden, doch würde dies an dieser Stelle zu weit führen. Daher bleibt mir abschließend betrachtet „nur noch“ zu sagen, dass ich von meiner Praktikumszeit (16.07. bis 04.10.2007), meiner Tätigkeit in der RHG und allen ihren Mitarbeitern eine äußerst positive Erinnerung habe. Meiner Meinung nach kann der Spruch „die drei Archive ergänzen sich auf nahezu ideale Weise“ ergänzt werden. Wer zu dem Thema Opposition und Widerstand in der DDR forscht, der findet in nahezu idealer Weise Quellen und kompetente Gespräche in der RHG. Ebenso in nahezu idealer Weise ist dies eine Praktikumsmöglichkeit für interessierte Praktikanten. Ich jedenfalls war und bin begeistert und kann jedem eine Bewerbung wärmstens empfehlen.

Johannes Mundo

Student der Neueren und Neuesten Geschichte an der TU Dresden