Praktikumsbericht Jonas Weinholz

Die Robert-Havemann-Gesellschaft ist ein Verein, welcher Geschichte und Erfahrungen des Widerstands und der Opposition in der DDR archiviert und vermittelt. Der politische Bildungsverein bildete sich 1990 aus der Bürgerbewegung Neues Forum heraus und gründete 1992 ein Archiv. Das Archiv hat mittlerweile einen Umfang von 1500 laufenden Metern Schriftgut. In den Archivbeständen findet sich u.a. Material von Einzelpersonen, Widerstands-, Friedens- und Umweltgruppen, so wie kirchlichen und nicht-kirchlichen Initiativen. Zum gesammelten Schriftgut gehören u.a. Flugblätter, Aufrufe, Briefe, Eingaben, Appelle aber auch Fotos, Transparente, Plakate, Film- und Tonaufnahmen.

Vom 18.07.22 bis zum 27.08.22 wurde mir die Möglichkeit gegeben ein sechswöchiges Praktikum im Archiv der Robert-Havemann-Gesellschaft zu absolvieren. In der ersten Woche durfte ich die Nutzerbetreuung kennen lernen. Zu meinen Aufgaben gehörte es digitales Schriftgut, welches professionell von einem externen Dienstleister entsäuert und digitalisiert wurde, herunterzuladen und auf dem internen Arbeitsspeicher zu sichern. Außerdem habe ich Schriftgut, welches von Nutzerinnen und Nutzern genutzt wurde, wieder ins Magazin zurückgeführt. Anschließend durfte ich im Schriftgut-Archiv aushelfen. Ich habe Kisten mit Zeitungsartikeln auf Relevanz durchgesehen, ob sich Artikel von oder über den Nachlassgeber in den Kisten befinden.

Ab der dritten Woche habe ich das Foto-Archiv kennen gelernt. Recht schnell wurde mir ein eigener Bestand zugeteilt, den ich erschließen durfte. Der Bestand umfasste 316 Negative mit positiven Abzügen. Die Erschließung beinhaltete die Sortierung der Negative zu den positiven Fotos, da sie ungeordnet im Archiv eintrafen. War die Zuordnung erfolgt, wurde jedem Negativ und Positiv eine Signatur gegeben. Anschließend wurden die Kleinbildnegative in Negativhüllen umgebettet und in einen Archivkarton einsortiert. Die Positive wurden gescannt und auf dem internen Arbeitsspeicher gesichert. Im Anschluss habe ich die Positive in Fotohüllen aus Pergaminpapier umgebettet, sie mit der entsprechenden Signatur versehen und die Fotohüllen in eine Hängeregistratur zur Aufbewahrung getan. Die gescannten Negative wurden von mir in Augias 9.2 verzeichnet. 

In Woche fünf habe ich bei einer Auslagerung von mehreren Beständen mitgewirkt. Hierfür sind wir mit einem Kleintransporter, gefüllt mit Archivboxen, ins Außenlager gefahren. Die letzte Woche wurde mir der Negativscanner vertraut gemacht. Hierfür benötigte ich Baumwollhandschuhe, um die sensiblen Negative nicht zu zerkratzen. Mit viel Fingerspitzengefühl mussten die Negative in die Halterung eingesetzt werden. Nach jedem Scanvorgang richtete ich den neuen Scanvorgang manuell ein. Nachdem die Digitalisate zugeschnitten wurden, habe ich sie auf dem Arbeitsspeicher gesichert.

Zu Beginn des Praktikums berichtete mir die Archivleiterin von ehemaligen Praktikantinnen und Praktikanten, dass diese lieber ihr Praxissemester in der Robert-Havemann-Gesellschaft, anstatt des kleinen Praktikums gemacht hätten. Nachdem ich das Praktikum beendet hatte, konnte ich diese Aussagen in ihrer Gänze verstehen. Es war dort zu jedem Zeitpunkt ein äußerst angenehmes Arbeits- und Betriebsklima. Ich bin jeden Morgen mit einem Lächeln zum Praktikum gekommen und werde dem Archiv verbunden bleiben. Jeden Morgen kamen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Archivs zusammen und haben sich über den anstehenden Tag ausgetauscht. Persönliche Fragen, Wünsche oder Ergänzungen konnten dort, auch in Anwesenheit der Archivleiterin, geäußert werden. Das hat meine Integration ins Archiv und ins Arbeitswesen vom ersten Tag an erleichtert.

Das Praktikum hat mir ebenfalls gezeigt, dass eine sinnstiftende Arbeit und die Freude an einer archivischen Tätigkeit im Einklang stehen. Die Zeit dort hat mich in meiner Entscheidung gestärkt, Archiv (B.A.) zu studieren. Mir wurde das Vertrauen geschenkt selbstständig meiner Arbeit nachzugehen. So konnte ich mein theoretisches Wissen aus der Fachhochschule Potsdam in der Praxis anwenden. Sind mir Fragen aufgekommen, konnte ich mich stets an sämtliche Personen der Robert-Havemann-Gesellschaft wenden, die mir mit ihrer außerordentlich fachlichen Kompetenz weitergeholfen haben.