Praktikumsbericht

Im Rahmen meiner Berufsausbildung zur Fachkraft für Medien-und Informationsdienste absolvierte ich vom April bis Oktober 2016 ein Praktikum im Fotoarchiv der Robert-Havemann-Gesellschaft.

 

Neugierig hat mich der Internetauftritt der RHG gemacht, da mir die Gründung und Auflösung der DDR in meiner Schulzeit größtenteils nüchtern und auf die Innen-und Außenpolitik beschränkt vermittelt wurde. Die Erfahrungsberichte ehemaliger Praktikanten, in welchen durchgehend die positive Arbeitsatmosphäre und Vielzahl an Aufgabenstellungen hervorgehoben wurden, haben mich ebenfalls zu einem Praktikum ermutigt.

 

Die Erfahrungen und Eindrücke meiner Vorgänger konnte ich bestätigen, die Mitarbeiter der RHG haben mich herzlich empfangen und waren sehr umgänglich. Man wurde ernst genommen und nicht nur als „der Praktikant“ wahrgenommen. Mein Betreuer Christoph Ochs hat mich in die Arbeit routiniert eingeführt und war jederzeit für Probleme oder Verständnisfragen ansprechbar, was die Einarbeitung immens vereinfachte und jeglichen Druck nahm. Da Beginn und Ende der Arbeitszeiten nicht akribisch vorgeschrieben waren, war ein selbstständiges Arbeiten mit eigenem Arbeitsrhythmus möglich.

 

Schwerpunktmäßig habe ich neue Fotobestände angelegt und verzeichnet, aber auch andere Aufgaben wie dem Digitalisieren bereits bestehender Bestände, fielen an. Auch wenn bei den archivarischen Tätigkeiten ein monotones Arbeiten kaum zu vermeiden ist, war das Archivgut stellenweise so interessant, dass man sich in Recherchen vertiefen und regelrecht schmökern konnte. Zudem war es aufgrund der flexiblen Arbeitsgestaltung möglich, an den Aufgaben abwechselnd zu arbeiten.

 

Bei der Bewältigung der Aufgaben wurde man weniger stark und oft kontrolliert. Die Arbeiten waren dem Praktikanten nicht nur zur reinen Beschäftigung oder Aufarbeitung von Beiseitegeschobenem gegeben, man wurde auch bei den aktuell anstehenden Aufgaben miteinbezogen. Als etwa alle Mitarbeiter für mehrere Wochen an einen Projekt beschäftigt waren, habe ich für diese Zeit einen Teil der Arbeit meines Praktikumsbetreuers übernommen. Dieses flexible Arbeiten förderte die Selbstständigkeit. Es entstand ein eigener Arbeitsrhythmus und die Aufgaben wurden aus eigenem Antrieb bewältigt. Dadurch fühlte ich mich vom Praktikumsbetrieb ernst genommen, was auch meine Motivation förderte und mich ermutigte.

 

Des Weiteren war das Archivgut im Vergleich zu den Akten staatlicher Institutionen oftmals persönlicher und dadurch „lebendiger“. Da es von Zeitzeugen entstand, die es aus eigenen Antrieb heraus bewusst für die Verbreitung der Information über ihrer Umstände für ihr Umfeld und der Nachwelt erzeugten, war es authentischer als etwa Akten, die aufgrund von bürokratischen Regelungen anstelle von persönlichen Motiven erzeugt worden sind. So hat das Praktikum mich auch intellektuell mit bildungspolitischen Fragen beschäftigt. Die Registraturbildner waren und werden in den berichterstattenden Medien oftmals nicht berücksichtigt oder gar glorifiziert, während das überlieferte Schriftgut des Staates nur eine einseitige Sicht über das Leben in der DDR liefern kann. Dabei zeigt das Archivgut den Widerstand und auch die Kommunikation von Bürgern mit den Staat und Behörden. Zum einen konnten dadurch die spezifischen Eigenheiten der Diktatur dieses Regimes dieser Zeit verfolgt werden, zum anderen sind die dabei gezeigten Gefühle und Gründe der Registraturbildner, die ihre Interessen und Rechte mindestens verteidigten, wenn nicht gar für sie kämpften, unabhängig von Zeitalter und Herrschaftsform, Ausdruck des Willen des Menschen, seine Rechte, die paradoxerweise selbstverständlich und nicht selbstverständlich sind, einzufordern. Ich bin davon überzeugt, dass dieser Wille unveränderlich war und sein wird, ist er mir auch im eigenen Leben vertraut, wenn man den Alltag und dem Umgang mit Behörden und Autoritätspersonen zu denen man in einen Vertrauens-und Abhängigkeitsverhältnis steht, meistern muss.

 

Als Fazit ziehe ich, dass ein Praktikum bei der Robert-Havemann-Gesellschaft aufgrund ihrer umgänglichen Mitarbeitern, den abwechslungsreichen Aufgaben und den authentischen Archivgut sehr empfehlenswert ist.

 

Nils Müller