Mein Archivpraktikum in der Robert-Havemann-Gesellschaft

 

Im Rahmen meiner Ausbildung zur Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste absolvierte ich vom 11.01.-19.02.2016 mein erstes Fachrichtungspraktikum  im Archiv der Robert-Havemann-Gesellschaft.

Die Robert-Havemann-Gesellschaft dokumentiert und vermittelt Zeitzeugnisse um Opposition und Widerstand gegen die SED-Diktatur in der Deutschen Demokratischen Republik.

Sie gründete sich im November 1990 aus Mitgliedern des Neuen Forums und war ursprünglich ein politischer Bildungsverein. Das Archiv eröffnete 1992. Mittlerweile beinhaltet es rund 500 laufende Meter Schriftgut.

Vieles davon stammt aus dem Privatbesitz von bekannten Gesichtern der DDR-Opposition oder oppositionellen Vereinigungen.

Während meines Praktikums durfte ich vieles davon kennen lernen. Meine Hauptaufgabe bestand darin, die Audiokassetten, Hi8-Filme und CD’s verschiedener Herkunft in einer Excel-Tabelle zu erfassen.

Ich begann mit Audiokassetten, welche das Ministerium für Staatssicherheit betrafen.  Dazu vergab ich eine Signatur, trug Titel und Inhalt ein und ergänzte Informationen wie z.B. das Datum, wenn vorhanden.

Den ersten Bestand aus Privatbesitz bearbeitete ich mit den Audiokassetten von Gottfried Gartenschläger; ehemaliger Pfarrer der Kirchgemeinde Friedrichsfelde und inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit unter dem Decknamen „Barth“.  Darunter befanden sich Musikkassetten aber auch viele Mitschnitte der seinerzeit veranstalteten Gottesdienste.

Interessiert an der Geschichte, bekam ich Schriftgut bestehend aus originalen und kopierten Zeitungsartikeln um mich weiterführend zu informieren.

 

Unterbrochen von einer einwöchigen Vorbereitung auf die Zwischenprüfung und der Prüfung selbst kehrte ich am 27.01. zurück zu meinem Praktikum.

Nun folgten Audiokassetten aus dem Besitz von Götz Berger. Diese waren besonders interessant, da es sich hier um den ehemaligen Anwalt Robert Havemanns handelte. Berger wurde bereits zur NS-Zeit politisch verfolgt und aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschlossen, arbeitete später für das SED-Regime und geriet erneut durch die Verteidigung Havemanns in die Kritik.

Hier hatte ich außerdem die Gelegenheit einige der Kassetten anzuhören, darunter auch ein Interview über die Lebensgeschichte Bergers.

Das Anhören der Audiomaterialien war ein wichtiger Arbeitsschritt um den Inhalt genauer erfassen zu können, da diese oftmals ungenügend oder gar nicht beschriftet waren. Dabei hatte ich die Gelegenheit in viele Originalaufnahmen reinzuhören.

Des Weiteren erfasste ich Audiokassetten aus dem Besitz von Bernd Albani, Udo Grzemba, Helmut Stieler, Annette Beleites sowie Bärbel Bohley und Roland Jahn, welcher bis heute zum Beirat der Robert-Havemann-Gesellschaft gehört.

Unter den vielen verschiedenen Medien die ich bearbeitete, befanden sich außerdem viele Aufzeichnungen von Veranstaltungen (z.B. die Gründungsversammlung der Partei Bündnis 90/Die Grünen), Mitschnitten von Demonstrationen und Radiosendungen wie zum Beispiel Radio Glasnost.

 

So waren es am Ende des Praktikums über 900 audiovisuelle Medien, die ich erfasste, mit einer Signatur versah und in geeignete Kartons sortierte und diese beschriftete.

 

Zu den kleineren Nebentätigkeiten, die ich erledigte gehörte die einfache Aufnahme von Dokumenten des BasisDruck Verlages, welcher vorher im selben Haus seine Geschäftsräume hatte, sowie von Namen und dazugehörigen Adressen einer Hausbesetzung von 1990.

 

Mein Tag begann immer um 09:00 Uhr. Nach einer Stunde folgte die tägliche Mitarbeiterbesprechung, bei dem ich die Möglichkeit hatte, viel über die anderen Aufgabenfelder der Robert-Havemann-Gesellschaft zu erfahren.  So lernte ich zum Beispiel, dass das Archiv auch über einen Fotobestand verfügt oder Öffentlichkeitsarbeit eine viel größere Bedeutung hat als erahnt.

Dadurch wurde für mich auch deutlich, wie wenig Bibliotheken und Archive manchmal gemeinsam haben können. Ganz abgesehen davon, dass sich die Arbeitsmittel und Computerprogramme voneinander unterscheiden, tritt man auch deutlich weniger mit Nutzern in Kontakt. Auch die Schwerpunkte sind völlig anders gelagert.

Daher fällt mir auch ein Vergleich sehr schwer, da manche Unterschiede auch durch Größe, Aufbau und Auftrag entstehen. So ist in einem Archiv die dauerhafte Aufbewahrung von zentraler Bedeutung, wobei viel mehr Wert auf eine fachgerechte Konservierung gelegt wird.

 

Wie bereits erwähnt, bemüht sich die Robert Havemann Gesellschaft nicht nur um Öffentlichkeitsarbeit indem sie sich bei vielen Veranstaltungen an der Organisation beteiligt, wie zum Beispiel beim 25jährigen Jubiläum des Mauerfalls mit der „Lichtgrenze“, sondern auch diverse Publikationen veröffentlicht hat.

 

Alles in allem habe ich in meinem Praktikum sehr viel über die Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik gelernt und konnte mein doch sehr begrenztes Wissen aus dem Geschichtsunterricht durch viele interessante Informationen aus erster Hand ergänzen.

Dies geschah auch oft durch das freundliche Team von Mitarbeitern, die mir immer sehr geduldig meine Fragen beantworteten und ihre eigenen Erlebnisse schilderten. Ich fühlte mich schnell wohl und mir fiel es nicht schwer, ein wirkliches Interesse für das Archivgut und seine Geschichte zu entwickeln.

Gut gefallen hat mir außerdem das selbstständige Arbeiten, bei dem ich trotzdem immer die Gelegenheit hatte, Fragen zu stellen.

 

 

Alles in allem war es ein sehr interessantes Praktikum, welches auch wegen der Mitarbeiter sehr viel Spaß gemacht hat.

 

Berlin, den 26. Februar 2016

Salomé Andra Milnik