Irena Kukutz

Bärbel engagierte sich früh. Sie inspirierte andere, viele hier im Raum können das bestätigen. Das blieb so bis zu ihrem Tod und bleibt es vielleicht auch weiterhin. Uns beide trennten Welten, als wir uns 1969 im Grundlagenstudium der Kunsthochschule Berlin-Weißensee begegneten, ich frisch von der Oberschule, sie eine gestandene Frau mit Berufserfahrung. Ich blickte mit Ehrfurcht zu ihr auf. Nur die Geburt unserer Söhne in diesem ersten Studienjahr verband uns irgendwie. Sie stach heraus mit ihrer Eigenwilligkeit, die sich in ihren Arbeiten ausdrückte, was uns andere geradezu einschüchterte. Als wir uns dann 1975 nach dem Studium überraschend beide am Teutoburger Platz im Prenzlauer Berg begegneten, nahm mich Bärbel unter ihre Fittiche wie später noch viele andere. Ich hatte kurz vorher meine Tochter beerdigt und war bewegungsunfähig.

Sie lud mich zum Aktzeichnen in ihrem Atelier ein. Für mich eine Therapie, für sie ernsthafte Arbeit. Bärbel gab mir Bücher wie die von Jewgenija Ginsburg oder Margarete Buber-Neumann, die sie und dann auch mich nachhaltig beeindruckten und veränderten. Sie hatte immerhin eine Badewanne, die ich gern und oft benutzte, wir den Luxus eines Telefons. Das passte gut. Wir verbrachten viele Tage damit, Tee zu trinken und uns zu allen erdenklichen Themen auszusprechen, kamen zunehmend auf Augenhöhe. Bärbel malte ihre Bilder, bekam erste Aufträge. Im Künstlerverband war sie anerkannt, der gewährte ihr Reisen Richtung Osten bis nach Sibirien und auch in die Bundesrepublik. Mit ihrer Kunst erntete sie nicht nur Zustimmung: Wie kann eine Frau nur so "hässliche" Bilder malen, war eine Frage beim Ausstellungsgespräch. Sie lachte darüber.

Und weil unsere Söhne, inzwischen fünf Jahre alt, in all dem Moder und Verfall rund um den Teutoburger Platz wenigstens einen sauberen Spielplatz haben sollten, begannen wir uns einzumischen, schrieben Eingaben und mehr. Wir fotografierten die völlig verwahrlosten Höfe entwickelten diese selbst und schickten sie mit Kommentaren an die Berliner Zeitung. Als sich nichts änderte, nahmen wir die Dinge selbst in die Hand. So hat alles angefangen - ganz klein und praktisch. Unter Bärbels Händen- ihr kleiner Sohn half mit und entdeckte so schon frühzeitig sein Gärtnerherz - ergrünte ihr Hof zu einer Oase und war fortan ein beliebter Treffpunkt. So manche Flasche Wein wurde dort geleert. Zusehens wurde Bärbel der Mittelpunkt eines Freundes- und Bekanntenkreises, der ständig wuchs.

Nicht nur Maler, Bildhauer, Dichter gehörten dazu, auch in der DDR Gescheiterte, die nur noch wegwollten. Sie lernte Robert Havemann kennen, mit seiner Frau Katja verband sie fortan eine enge Freundschaft. In ihrem Atelier gab es Lesungen, Konzerte und Ausstellungen. Sie war eine vorzügliche Gastgeberin. Wenn jemand Hilfe brauchte, und das waren nicht wenige, war sie zur Stelle. Die sieben gemeinsamen Jahre am Teutoburger Platz und natürlich alles, was wir noch danach mit den Frauen für den Frieden und dem Neuen Forum auf die Beine gestellt hatten, blieben trotz heftiger Turbulenzen in den 90er Jahren, wo ich ihr nicht mehr folgen wollte, ein solides Fundament unserer Freundschaft.

So wie sie gelebt hat, ist sie auch gestorben: selbstbestimmt. Diesen Freiraum hat Anselm, ihr Sohn, ihr eröffnet. Kurz vor ihrer Abfahrt nach Gehren, wo sie sterben wollte, was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wahrhaben wollte, waren ihre Freundin Christina und ich noch einmal bei ihr. Trotz großer Schwäche saß sie auf einem ihrer harten Stühle. Wir ermahnten sie, weil sie den Tropf mal wieder schneller gestellt hatte. Da setzte sie ihr schelmisches Lachen auf und sagte: Kümmert euch um euer Wasser! Das werden wir tun, Bärbel!

Nachtrag: Bis zuletzt wachte Anselm wie ein Schutzengel an ihrer Seite. Das erlebte sie voller Dankbarkeit, und ihre größte Furcht, dass ihr Sterben für ihren Sohn eine zu große Last sein könnte, löste sich auf. Meine Hochachtung für Dich, Anselm. Danke.